Sehr negative Gedanken auf Grund von Skoliose

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Keko25
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Sehr negative Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Keko25 »

Guten Tag liebe Community,

dies ist mein erster Beitrag in diesem Forum. Bei mir wurde vor zwei Jahren im Alter von 18 Jahren eine Skoliose festgestellt (vom Allgemeinmediziner). Dieser hat mich an einen Orthopäden überwiesen, der dann ein Röntgenbild wollte. Auf dem Röntgenbild stand R 15Grad. Als ich dann wieder beim orthopäden war und ihm das Röntgenbild übergab, fragte er mich was ich dagegen tue. Als ich völlig irritiert sagte, dass ich kürzlich erst von Skoliose erfahren habe, lies er einfach eine Überweisung zum Physiotherapeuten anfertigen. Ich war derbe enttäuscht von dem Umgang des Orthopäden mit mir; da dieser mich nicht im Geringsten aufgeklärt hatte. Schulisch stand einiges bevor, weswegen ich den Besuch beim Physiotherapeuten solange aufgeschoben hatte, bis er in Vergessenheit geriet. Schmerzen hatte ich nur leichte. Ich habe das nie zu einem Problem hochgeschaukelt. Wie dumm konnte ich nur sein, dass ich das Ausmaß des Problems nicht erkannt habe. Erst kürzlich habe ich festgestellt wie unästhetisch mein Rücken wirkt, wenn ich mich nach vorne bücke. Wie eine Fehlbildung. Ich weiß derzeit noch nicht, ob sich die Skoliose verschlimmert hat. Ich studiere derzeit und gleichzeitig Physiotherapie zu betreiben, kostet mich ne Menge Zeit, die ich hätte in mein Jura-Studium investieren müssen. Die psychische Belastung längt mich ohnehin sehr stark von meinem Jura-Studium ab. Zudem verspricht Physiotherapie keine Verbesserung, sondern nur Verhinderung einer Verschlechterung.

Mein eigentliches Problem: Ich bin ein penibler Mensch, wenn es um die körperliche Symmetrie geht. Diese ist aber in meinem Fall nicht gegeben. Und die Sorge, dass diese Krankheit sich im Alter verschlimmern wird und ich sie nie rückgängig machen können werde, mich am Strand immer darum sorgen werde, es könne jemandem auffallen, bedrängt mich. Ich fühle mich nicht normal. Ich weiche von der Norm ab und das stört mich extrem. Ich weiß, es ist fast schon wie Verhöhnung derjenigen, die es schlimmer haben mit ihrer Skoliose. Aber das eigene Problem fühlt sich meist wie das größte Problem an. Nicht nur Skoliose bedrängt mich. Komischerweise scheint meine rechte Körperhälfte nur von Problemen behaftet zu sein. Kiefergelenkgeräusche im rechten Unterkiefer, Gesichtshaut wirkt asymmetrisch, Wange wirkt fahler und schlaffer. Alles sehr komisch. Hinzu kommt Tinnitus, was ich nie als Krankheit verstanden habe bis ich die Bezeichnung gelesen habe und nach der Definition gegoogelt habe.
Skoliose bedingt scheint auch die Richtungstendenz des Körpers zu sein. Mein Körper wirkt leicht verdreht wenn ich meinen Kopf senke und meinen Oberkörper betrachte. Das merke ich auch, wenn ich bspw. ein Hemd anziehe und die Knöpfe nach einigen Schritten leicht diagonal in die rechte Richtung zeigen. Beckenschiefstand womöglich? Wäre Beckenschiefstand der Fall, könnte man zumindest dies behandeln?

Motivierende Sprüche haben bei mir meist keinen Einfluss. Mich stört die beeinträchtigte Ästhetik ders Körpers. Ich kann so nicht leben! Mein Selbstbewusstsein existiert praktisch nicht mehr. Das verleitet mich zu einem vermeintlichen Ausweg: Suizid. Gerade ist es glücklicherweise auf gedanklicher Ebene.
Hoffentlich gibt das keinem Anlass, irgendwen zu kontaktieren und einen Suizidversuch zu melden. Das ist nämlich nicht der Fall.

Kann man auch mit einer geringfügigen Skoliose operiert werden?
Gibt es Aussichten, dass sich Skoliose-Behandlungen in den Folgejahren weiterentwickeln?
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Raven
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Re: Aufkeimende Suizid-Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Raven »

Hallo Keko,

nur kurz:
Gerade mit dem Hintergrund
Keko25 hat geschrieben: Motivierende Sprüche haben bei mir meist keinen Einfluss. Mich stört die beeinträchtigte Ästhetik ders Körpers.
rate ich dir von einer OP, auch wenn sie evl. ein Arzt anbietet, dringend ab:
Kann man auch mit einer geringfügigen Skoliose operiert werden?
Eine OP begradigt nie völlig, und hinterlässt unweigerlich eine Narbe und Bewegungseinschränkungen. Und genau diese werden dir selbst als "beeinträchtigte Ästhetik" auffallen und Fragen anderer hervorrufen ("Woher kommt die Narbe? Was war das für ein Unfall?", "Warum kannst du dich nicht so und so bewegen?", "Lass' doch den Oberkörper mehr mitgehen, dann fängst du die Bälle besser!"). Ich war diese Woche erst bei einem dreitägigen Event mit Gleichaltrigen - "verbindendes Element", also was mich und die anderen Teilnehmer zu dem Event führte, war der Beruf. Und oben genannte Fragen kamen unweigerlich auf, als der freizeitmäßige Teil der Veranstaltung begann und dieser natürlich wieder mal sportgeprägt war. Ich habe ca. fünf mir zuvor völlig fremden Leuten unweigerlich erklären müssen, dass ich eine Wirbelsäulenversteifungs-OP zur Korrektur einer Skoliose hatte, was eine Skoliose ist. Ich vermute, nach deiner bisherigen Beschreibung, dass dich das sehr belasten würde.

Die Situation mit der Physiotherapie und dem Zeitkonflikt mit dem Studium kann ich durchaus gut nachvollziehen; auch ich habe studiert, das Studium war zeitaufwendig (Physik) und mir waren gute Leistungen im Studium absolut wichtig. Gerade vor dem Hintergrund kann ich aber sagen: Mache zumindest etwas Physiotherapie - auch andere Studenten werden irgendetwas für ihren Körper tun, z.B. Sport treiben. Das hier
Zudem verspricht Physiotherapie keine Verbesserung, sondern nur Verhinderung einer Verschlechterung.
wirkt auf dich wohl zunächst so, als helfe Physiotherapie kaum, aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist durchaus eine Verbesserung zu erzielen, und eine Verhinderung einer Verschlechterung dürfte auch etwas sein, das dir lieber ist als eine Verschlechterung.

Viele Grüße
Raven
Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen.
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Re: Aufkeimende Suizid-Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von mick »

Hallo Keko,

ich schließe mich den Aussagen von Raven (die sich als Operierte sehr gut mit den Folgen einer OP auskennt) an. Das gilt schon ganz unabhängig davon, dass gar nicht klar ist, ob Du mit einer OP überhaupt auf 0 Grad kommen könntest und nicht eine Restkrümmung behalten würdest (zusätzlich mit den Bewegungseinschränkungen, der Narbe und möglicherweise auch ind er Zukunft dann größerer Abnutzung der nicht versteiften Bereiche).
Keko25 hat geschrieben: Ich studiere derzeit und gleichzeitig Physiotherapie zu betreiben, kostet mich ne Menge Zeit, die ich hätte in mein Jura-Studium investieren müssen.
Eine OP würde Dich noch mehr Zeit kosten. Vielleicht hilft es Dir, wenn Du mal Erfahrungsberichte liest (gibt es diverse im Internet, in anderen Foren), um hierzu ein realistisches Bild zu erhalten. Auch nach der Zeit der OP und des Klinikaufenthaltes würde stundenlanges Sitzen am Schreibtisch oder im Hörsaal eine Zeit lang nicht möglich sein. Nach der OP ist meines Wissens auch Physiotherapie erforderlich.

Ich habe übrigens auch Jura studiert und kann den Stress und Druck gut nachempfinden, mir ging es genauso. Am Anfang hatte ich noch gut Zeit nebenher für Sport etc., zum Examen hin habe ich so sehr unter Druck gestanden, dass ich die Sachen, die mir gut getan hätten, nicht mehr gemacht habe, um mehr Zeit fürs Lernen zu haben. Im Nachhinein lässt es sich natürlich immer gut reden, aber ich kann Dir sagen, dass es bedeutend besser gewesen wäre, sich die Zeit für Ausgleich und für Sport/Physiotherapie noch zu nehmen. Nach einigen Stunden ist das Gehirn (wissenschaftlich nachgewiesen) nicht mehr aufnahmefähig. Man sitzt dann mit schlechtem Gewissen noch am Schreibtisch und kreist im Gedankenkarussel - es ist so viel sinnvoller, diese Zeit zu nutzen, um sich etwas Gutes zu tun.
Keko25 hat geschrieben:Beckenschiefstand womöglich? Wäre Beckenschiefstand der Fall, könnte man zumindest dies behandeln?
Das Becken kann im Zusammenhang mit der Skoliose verdreht sein. Das kann ein Beckenschiefstand sein, der dann aber oft nicht an ungleich langen Beinen o.ä. liegt (wäre das der Fall, könnte man die ungleiche Länge mit Einlagen ausgleichen) und in einer guten Physiotherapie, z.B. nach Schroth mit in die Behandlung einbezogen würde.
Keko25 hat geschrieben:Hinzu kommt Tinnitus, was ich nie als Krankheit verstanden habe bis ich die Bezeichnung gelesen habe und nach der Definition gegoogelt habe.
Ich kenne mich mit Tinnitus nicht besonders gut aus, aber soweit ich weiß, ist Stress häufig ein wesentlicher Faktor. Auch das würde ehrlich gesagt dafür sprechen, dass Du nicht nur lernst, sondern auch etwas zum Ausgleich findest. Das ist ein wirklich gut gemeinter Rat von mir. Wenn Du vor zwei Jahren 18 warst, bist Du vielleicht gerade mit dem Grundstudium durch und die Examenszeit kommt erst noch.

Viele Grüße, mick
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Re: Aufkeimende Suizid-Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Raven »

Hallo Keko, Hallo mick,
mick hat geschrieben: Eine OP würde Dich noch mehr Zeit kosten. Vielleicht hilft es Dir, wenn Du mal Erfahrungsberichte liest (gibt es diverse im Internet, in anderen Foren), um hierzu ein realistisches Bild zu erhalten. Auch nach der Zeit der OP und des Klinikaufenthaltes würde stundenlanges Sitzen am Schreibtisch oder im Hörsaal eine Zeit lang nicht möglich sein. Nach der OP ist meines Wissens auch Physiotherapie erforderlich.
Beides stimmt absolut. Neben auch den Auffälligkeiten: Narbe, Bewegungseinschränkungen. Dort, wo jetzt die Asymmetrie auffällt (wahrscheinlich nur, wenn du "oben ohne" bist), wird später auch die Narbe auffallen, und je nach Länge der Versteifung auch, wenn du ein T-Shirt mit niedrigem Kragen trägst und kurze Haare hast (bei mir sieht man die Narbe am unteren Ende des Nackens).
Und die Auffälligkeiten bei Freizeitaktivitäten, im Alltag... man kommt damit schon zurecht, aber wenn man schon unter kleinen Abweichungen psychisch leidet, wird es wohl nur umso mehr werden. Ich habe letztens z.B. bei einer Freizeitaktivität, die für Leute meines Alters gedacht ist, sagen müssen, dass und warum:
- ich beim Umstellen der Tische keinen Tisch tragen kann
- ich mich bei einem Gruppenspiel nicht unter einen Stuhl zwängen kann
- ich beim Einladen meines Koffers in den Kofferraum Hilfe brauche
- ich nicht vom Beifahrersitz nach hinten greifen kann
- ich nicht bei einer Menschenpyramide mitmache (mir steigt keiner auf den Rücken!)
- ich nicht irgendwo runterspringe, wo andere das noch lustig-sportlich fanden.
In Badebekleidung am See kam dann noch von denen, die's immer noch nicht wussten, die Frage, was ich mal für einen Unfall gehabt hätte wegen der, Zitat, "krassen" Narbe. Alles binnen drei Tagen.
Das sind eher typische Situationen - ansonsten kann man "natürlich" Ausreden suchen und Gruppenaktivitäten fern bleiben, Freunde belügen und nur noch mit Oberteil schwimmen gehen, damit ja keiner etwas merkt, tut der Psyche aber garantiert auch nicht gut und ist sicherlich nicht das, was du dir wünscht: "normaler" werden.
Nur fürs Aussehen hätte ich die Belastungen einer OP nie auf mich genommen. (Im Gegenteil: Das geradere Aussehen war nur ein kleines i-Tüpfelchen drauf für mich. Hauptgrund war, die starke Verschlechterung zu stoppen und so gut wie möglich Korrektur herauszuholen, um eine bessere Statik zu haben und Gelenke etc. zu entlasten.)
mick hat geschrieben:Nach einigen Stunden ist das Gehirn (wissenschaftlich nachgewiesen) nicht mehr aufnahmefähig. Man sitzt dann mit schlechtem Gewissen noch am Schreibtisch und kreist im Gedankenkarussel - es ist so viel sinnvoller, diese Zeit zu nutzen, um sich etwas Gutes zu tun.
Dem kann ich aus meiner Studiums- und Promotionszeit nur zustimmen!

Viele Grüße
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Re: Aufkeimende Suizid-Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Keko25 »

Ich danke euch für Eure aufbauenden Worte. Ich kann es allerdings immernoch nicht so ganz verarbeiten, dass ich mein lebenlang damit leben muss. Gäbe es zumindest einen Hoffnungsschimmer, dass in naher Zukunft eine Lösung gefunden werden würde....
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Re: Aufkeimende Suizid-Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Dalia »

Hallo Keko, verstehe ich es richtig, dass die 15° vor zwei Jahren gemessen wurden? Denn 15° sind ja so gut wie nichts. Kann eine Hyperlordose (Hohlkreuz) ausgeschlossen werden? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es zu einer gravierenden Verschlechterung gekommen ist. Selbst wenn es sich verschlechtert hat, jetzt mit 20 Jahren wirst du nicht mehr mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen haben.

Wenn du magst, kannst du ein Foto von deinem Röntgenbild und deinem Rücken hier einstellen. Ich vermute, dass das Erscheinungsbild nur für dich schlimm wirkt, aber für andere nicht. Aber unklar ist hier erst mal, ob du ein Hohlkreuz hast oder eine Kyphose. So etwas wird beim seitlichen Röntgen erfasst und nicht beim Röntgen von vorne oder von hinten.

Es wäre sinnvoll, sich neue Röntgenbilder anfertigen zu lassen bei einem Spezialisten, der sich mit Wirbelsäulenerkrankungen auskennt, damit du Klarheit hast, wie der Stand der Dinge jetzt ist. Als Therapieformen kämen Schroth und Korsett in Frage, aber im Erwachsenenalter ist allgemein eher nicht mit einer Verbesserung zu rechnen, außer bei Hohlkreuz und Kyphose. Dann bleibt nur, daran zu arbeiten, sich zu akzeptieren, wie man ist und auf vorteilhafte Kleidung zu achten. Körperunebenheiten fallen außerdem anderen viel weniger auf als einem selbst. Bei so wenigen Graden wird dich kein Chirurg operieren, das wäre verantwortungslos, so eine OP ist kein Pappenstiel und löst auch nicht alle Pronleme. Ich glaube, dass dein Problem in erster Linie in der Psyche bedingt ist und nicht in den Grade. Wenn du weniger Grad hast, wird dich etwas anderes an deinem Körper stören.

Und ich denke, dass Gespräche mit einem Psychologen oder Psychotherapeuten sinnvoll wären.
Ich kann dem Leben nicht mehr Tage geben, aber dem Tag mehr Leben. (Bertolt Brecht)
meine Geschichte: Dalia wird Königin (Korsett für eine Oldie-Power-Skoliose)
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Re: Sehr negative Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Raven »

Hallo Keko,
Keko25 hat geschrieben:ich kann es nicht ganz nachvollziehen, warum es im 21. Jahrhundert der modernen Medizin so schwerfällt Wirbelkörper in die ursprüngliche Position zu bringen. Ja, ich weiß, dass der Gedankengang sehr dumm und primitiv ist.

wären es nur die Wirbelkörper, wäre das ggf. relativ einfach: operativ wieder "aufstapeln". Allerdings sind immer muskuläre Strukturen, Sehnen, Bänder mitbetroffen, die die Wirbelkörper wieder in die unerwünschte Position ziehen würden - und Skoliose scheint genetisch bedingt zu sein, d.h. der Körper "fährt ein Programm", die Wirbelsäule krumm wachsen zu lassen. Aus diesem Grund ist es auch nur sehr eingeschränkt möglich, sich mit einer Skoliose "einfach" gerade hinzustellen.
Aber wenn ich lese, dass die Medizin in Sachen Skoliose immernoch auf konservative Behandlungen zurückgreift, verliere ich jede noch so kleine Hoffnung.
"Konservativ" bedeutet hierbei nicht "altmodisch" oder "nichts Neues wagen", sondern nichtoperativ. Wenn es Behandlungen gibt, die ohne eine OP auskommen - d.h. ohne ein OP-Risiko, ohne Implantate, ohne eine Narbe - ist das doch eine gute Sache. Viele Menschen erhoffen sich bei orthopädischen Problemen, man könne etwas "mal schnell" operieren, und hätte dann fast oder vollständig den gesunden Zustand, aber so ist das nicht.
Selbst die OP soll ja keine Lösung versprechen, sondern, wenn überhaupt, nur eine Linderung des Leides. Und die Wirbelkörper sollen bei der OP ja auch nicht zurückgedreht werden, sondern nur versteift werden.
Eine OP erzeugt durchaus eine Korrektur, kann diese jedoch nicht vollständig herstellen, da die Wirbelkörper, Rippen und andere knöcherne Strukturen immer zumindest etwas verformt sind (etwa konnte meine Skoliose von 55 Grad auf unter 10 Grad korrigiert werden; die Rippen sind aber nachwievor asymmetrisch, was man in einer weiteren schmerzhaften OP ein wenig hätte verbessern können, das Steißbein ist verkippt, was man nur mit einer noch längeren Versteifung die die Wirbelsäule am Becken fixiert hätte, hätte beheben können und mich noch unbeweglicher gemacht hätte, und dann sind da noch die asymmetrisch gewachsenen Schulter- und Beckenknochen, die man fast nie operiert, da der Aufwand und die Beschwerden nach einer solchen OP einfach unverhältnismäßig wären...). Der größte Preis für die Korrektur durch eine OP ist die Versteifung, das OP-Risiko sowie, geht es einem ums Aussehen, eine lange Narbe.
Gibt es überhaupt keinen Hoffnungsschimmer, dass in der Zukunft für diese Krankheit eine völlige Lösung gefunden wird? Hat jemand bzgl. innovativer Verfahren etwas gelesen oder gehört?
Es gibt OP-Verfahren, die weniger bzw. kaum versteifen - aber auch hier bleibt eine Narbe, eine vollständige Korrektur wird kaum erzielt, ggf. verformte Rippen-, Becken- und Schulterknochen werden nicht korrigiert.
Die beste, nebenwirkungsarme und allenfalls in gewissem Maße zeitaufwendige Methode - aber zeitaufwendig ist eine OP bzw. die Genesung und das Einhalten einer ergonomischen Lebensweise nach OP ebenfalls - bei relativ geringgradigen Skoliosen ist bislang die konservative Therapie: Physiotherapie, z.B. Schroth, sowie ggf. die Behandlung mit einer Orthese (Korsett), welches bei Erwachsenen je nach Krümmung nicht rund um die Uhr getragen werden muss.
Wirksame Therapien, die direkt bei der Ursache ansetzen, gibt es bislang nicht.


Ansonsten kann ich Dalia nur beipflichten: Lasse eine aktuelle Diagnose inklusive Röntgenbilder bei einem Spezialisten anfertigen und besprich mit ihm das weitere Vorgehen.
Auch ein Psychotherapeut kann dir helfen. Dieser wird dir zwar deine Wirbelsäule nicht begradigen können, und auch wenn du schreibst, dass dir nette Worte nicht viel helfen: Ein Psychotherapeut kann dir helfen, allgemein Selbstsicherheit aufzubauen (meiner Erfahrung nach: wirkt man selbstsicher und nimmt man ggf. vorhandene Asymmetrien und Einschränkungen auch mal mit Humor, gehen Leute gleich ganz anders mit einem um, als wenn man sich vor Unsicherheit selbst bedauert), du kannst belastende Alltagssituationen besprechen und Strategien entwickeln (z.B.: wie kannst du reagieren, falls dich wirklich mal jemand auf deinen Rücken anspricht? Es kann schon viel Selbstsicherheit geben, vorbereitet zu sein). Es zumindest mal auszuprobieren, lohnt sich.

Viele Grüße
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Re: Sehr negative Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von bugbuster »

Das ist der Link zum Psychotherapie-Informationsdienst (PID)
http://www.psychotherapiesuche.de/

Ich selbst bin bei einer Psychotherapeutin. Ich war auch mit meinem Aussehen unzufrieden. Bei mir warns u.a. die Augenlider. Plötzlich hatte ich den Eindruck, dass die nicht ganz symmetrisch sind. Ich fing an mich nur darauf konzentrieren. Den Rest ausgeblendet. Fing an endlos zu googln, mich zu informieren was man machen kann. Je mehr ich mich informiert habe, desto schlechter fühlte ich mich. Hab mich quasi verrückt gemacht. Doch ganz ehrlich, so schlimm wars dann doch nicht. Den Leuten ist die Asymmetrie nur aufgefallen, sobald sie sich drauf konzentriert haben. Und Freunden und Familie wars egal.

Eigentlich macht man sich nur Sorgen, dass fremde Leute einen wegen seinem "schiefen" Aussehen verurteiln. Doch ganz ehrlich, genau deren Meinung sollte einem sch*** egal sein. Die würden deiner Meinung auch nicht viel Gewicht schenken.

Ich weiß, es ist schwer sich von seiner Einstellung/Depression zu lösen. Da helfen auch keine gut gemeinten Worte. Deshalb empfehle ich dir mit einem Psychotherapeuten zu reden. Such dir einen Therapeuten aus, mach eine Probesitzung. Schau ob ihr euch gut versteht und los gehts. Psychische Probleme sind halt auch Krankheiten, die man behandeln und lösen kann.

Beides ist wichtig: Körper und Seele.

Ich drück dir die Daumen! :)
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Felissilvestriscatus
aktives Mitglied
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Registriert: So, 18.12.2016 - 18:34
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Diagnose: Idiopathische Skoliose, vor OP: 50° Cobb BWS, 37° Cobb LWS
post-OP: 3° Cobb BWS, 17° Cobb LWS
Therapie: Korsett im Alter von 12- 16, Rückengymnastik und Übungen, Schroth
OP 30.06.17, Korrekturspondylodese Th3-th11
Wohnort: Uhingen

Re: Sehr negative Gedanken auf Grund von Skoliose

Beitrag von Felissilvestriscatus »

Hallo Keko,

Vielleicht wird es für kommende Generationen eine Therapie geben, die endlich die gentische Ursache der Skoliose bekämpft, dieser Artikel der Seite Future Medicine klingt jedenfalls recht zuversichtlich :):
https://www.futuremedicine.com/doi/10.2217/pme.12.117
Das Problem ist, dass der Phänotyp Skoliose bis jetzt noch keinen eindeutigen genetischen Markern zugeordnet werden konnte (Zitat: "Although a genetic basis is widely accepted for AIS, multiple genes and loci have been associated and none are confirmed"), aber daran arbeitet diese Forschungsgruppe bereits und es sieht so aus, als ob sie, zumindest für eine kanadische Population, eine Möglichkeit der genetischen Zuordnung gefunden hätten und damit vorraussagen können, ob bei einem bestimmten Jugendlichen die Kurve stark zunehmen wird oder nicht. Ich hoffe, dass diese Forschungen weiter geführt werden :)
LG, Felis
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