Hallo Zebrastreifen,
einige Kommentare hierzu:
Zebrastreifen hat geschrieben:
- keine lebensbedrohliche Situation (klar bei Organproblemen etc. sollte operiert werden).
Grundsätzlich bin ich ein OP-kritischer Mensch, auch bei anderen gesundheitlichen Problemen und gehöre
nicht zu denen, die sagen "Mal schnell operieren lassen, ich mag mich nicht mit langwierigen Therapien herumärgern". Eine OP ohne den ausgiebigen Versuch einer Korsetttherapie wäre für mich nie in Frage gekommen. Selbst habe ich mich auch immer an hohe Tragezeiten und fleißige Physiotherapie gehalten, um nach aller Möglichkeit eine OP zu vermeiden. (Allgemein halte ich es bei gesundheitlichen Problemen so: Reicht Verhaltensumstellung, z.B - je nach Erkrankung - im Bereich Sport, Ernährung, Freizeit? Wenn nein: Reicht Behandlung ohne Medikamente und ohne OP, z.B. - je nach Erkrankung - eine Orthese oder anderes Hilfsmittel? Wenn nein: Hilft ein nebenwirkungsarmes Medikament, obwohl eine OP auch in Frage kommt? Wenn nein: Therapie mit - ne nach Erkrankung - Medikament oder OP nach sehr sehr ausführlicher Information.)
OPs sehe ich trotzdem nicht nur bei lebensbedrohlichen Problemen für sinnvoll an.
Es gibt auch viele andere Beschwerden, Erkrankungen, Verletzungen, die nicht lebensbedrohlich sind, in denen eine OP aber die Lebensqualität verbessern kann; ich denke da z.B. an:
- komplizierte Brüche, die ohne OP nicht gut zusammenwachsen würden
- Hüft-OPs
- oft werden von Seiten der Operateure Versprechen gemacht, die nicht so zu treffen. Bei jedem ist der Heilungsverlauf anders. Die einen können nach zwei Monaten wieder arbeiten, die anderen nie mehr wieder.
Dem stimme ich zu. Hier werden leider häufig positiver klingende Versprechen gemacht.
Etwa, wie du ansprichst: Oft heißt es "Viele arbeiten nach x Monaten wieder", ohne auf den Beruf des Patienten zu achten (nun, wie viele Bürokaufleute arbeiten wieder, und wie viele Altenpfleger arbeiten wieder?) oder "Man kann fast jeden Sport wieder ausprobieren" (ja, ausprobieren schon, nur manche Sportarten sind nicht mehr vernünftig möglich).
Aus meiner Erfahrung nach kann man, nach einer gewissen Genesungszeit, tatsächlich sehr viel grundsätzlich wieder. Es gibt auch nur sehr wenig, das ich gar nicht kann. Unter den vielen Dingen, die machbar sind, sind jedoch nach der OP viele, die umständlicher werden, anstrengender werden etc. Ich sehe das im direkten Vergleich, wie z.B. ich putze, einkaufe, Auto fahre, reise etc., und wie das gleichaltrige Menschen ohne Einschränkungen machen. Für mich kann ich das akzeptieren - wer jedoch denkt, es würde wirklich fast alles wieder wie zuvor möglich sein, kann hier herbe enttäuscht sein.
Was ist wenn zwar das Operationsergebnis auf denm Röntgenbild passt, aber dort Fehlspannungen vorhanden sind? Fast jeder hat mal eine Zahnspange, jeder weiss dann, wenn da Zug drauf kam, wie schmerzhaft sowas werden kann. Bloss hier ist jeder einzelnen Zahn nochmals fixiert und nicht beweglich. Vieleicht ein blöder Vergleich, aber für mich als Laie mit ein bisschen Technikwissen schon ein wenig ersichtlicher.
Ohne selbst das Problem gehabt zu haben: Auf jeden Fall verständlich (auch mit Technikwissen: Physikerin
)
Mir ist ein Operateur bekannt, der sich auf Bandscheiben spezilisiert hat und der meinte nur wenn alle Stricken reissen sich operieren zu lassen.
- die fehlenden Langzeiterfahrungen bzw. die erhöhte Lebenserwartung von uns. Wenn jemand mit dreizehn Jahren operiert wird, wie ist es dann mit 75 oder 85. Was kommt, wenn andere Erkrankungen dazu kommen unabhängig vom Alter? Ich glaube, da sind Operationen viel zu wenig darauf bedacht. Hält so Material wirklich 40-70 Jahre oder länger? Wie sieht es aus mit solchen Nachoperationen, wenn man älter geworden ist? (Den Jungen wird immer erzählt, sie würden es besser verkraften.)
Dem stimme ich auch zu.
Für mich galt damals aber auch: meine Wirbelsäule wurde im Korsett immer krummer (heute würde es bessere Korsetts geben). OP, oder jetzt dauerhaft ein Korsett tragen (das theoretisch ausziehbar ist, aber wie viele korsettfreie Stunden sind noch bei hohen Gradzahlen schmerztechnisch drin?) und trotzdem krummer werden?
Für mich habe ich mir immer gesagt, und das ist noch genauso: wenn es mir vielleicht mit 70 (oder so) schlechter geht, und ich gesundheitlich auf einem Stand bin wie ohne OP aber mit Verschlechterung, dann ist etwas gewonnen - ich habe dann nämlich die ganzen Jahre dazwischen ein Leben geführt, in dem vieles vorkam, das ohne OP (aber mit Verschlechterung) nicht machbar gewesen wäre.
- die "Ungeduld" vom Patienten selber, viele haben kaum Geduld wollen möglichst bald einen "neuen, schönen" Rücken- Schön sein wollen usw.
Das sehe ich auch sehr kritisch. Gerade, da meine OP noch zu Zeiten durchgeführt wurde, in denen nicht primärstabile Implantate üblich waren. Solche wurden bei mir eingesetzt, und das bedeutete: ein halbes Jahr nicht sitzen, ein Dreivierteljahr Korsett (das durfte absolut nur zur Körperpflege entfernt werden, keine Bewegung ohne erlaubt!), ca. ein Jahr bis leichte Alltagsbelastungen wie ein kleiner Einkauf oder ein Tagesausflug in der Stadt machbar waren. Anderes, etwa eine Stunde Autofahren (mitfahren) oder wirklich alle Kleidung inkl. Schuhen selbst anziehen können, dauerte noch länger.
Eine Methode, um "schnell einen schönen belastbaren Rücken" zu bekommen, war das jedenfalls nicht, sondern eher ein "Langzeitprojekt".
- auch, habe immer wieder erlebt Leute, die sich operieren lassen und dann ihren Beruf nicht mehr ausüben können wegen OP-Folgen. Warum nicht vor der Operation einen Lebenswandel vornehmen? Vielleicht klappt dann die konservative Therapie dann auch besser? Wo liegt genau die Einschränkung der Lebensqualität? Dieser Punkt sollte genau beleuchtet werden.
Finde ich auch sehr sehr wichtig
Bei meinem Beruf, den ich (da jung operiert) erst drei Jahre nach OP ergriffen habe, habe ich sehr darauf geachtet, dass dieser Beruf sehr gut mit vorhandenen Einschränkungen durchführbar ist und noch Spielraum da ist, also nicht nur knapp machbar ist, sondern es auch mit mehr Einschränkungen wäre. Interesse am Beruf habe ich dabei auch nicht vernachlässigt, jedoch unter den interessanten Berufen den körperlich am wenigsten anspruchsvollen gewählt.
Unter meinen Wunschberufen waren z.B. Mechatroniker, Industriemechaniker und Fachinformatiker, ich entschied mich für letzteren.
(Da ich oben einen anderen Beruf nenne: nein, ich habe den Beruf nicht aufgrund von Beschwerden gewechselt, sondern einfach aus Interesse
)
- psychische Probleme nach der Operation.
Auf jeden Fall wichtig. Denn die OP kann keinen "orthopädisch normalen Traumrücken" zaubern. Mir hat die OP und die Zeit danach viel Tapferkeit, Gelassenheit, weiteres Akzeptieren von Anderssein und mit Unverständnis anderer zurechtkommen (gegenüber anderen Einschränkungen benennen müssen, während ich vorher Einschränkungen noch eher durch Weglassen des Korsetts bei z.B. Praktika oder Schulausflügen kaschieren konnte) abverlangt.
Viele Grüße
Raven