Tobias, wie hast Du Dich entschieden?

Infos zu weiteren WS-Deformitäten, die mit Skoliose zusammen oder alleine auftreten
kessi
treues Mitglied
treues Mitglied
Beiträge: 263
Registriert: Fr, 31.05.2002 - 00:00
Geschlecht: weiblich
Diagnose: c-förmige, neuromuskuläre Skoliose, 52° (?) lumbal
Therapie: Korsett von Rahmouni, KG ZNS, mT

Beitrag von kessi »

Lieber Tobias,

Auch ich freue mich, dass Du andere Gedanken zugelassen hast, Dich damit auseinandergesetzt hast und nun sogar etwas Abstand gewonnen hast.
Dieses Geschenk des Lebendürfens darf man nicht abwetren, indem man solchen Dingen die Führung des Lebens übergibt.
Es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzten (egal mit welchem Ergebnis), denn dann ist man erst aktiv = lebendig.
Wenn man dieses Geschenk erst einmal angenommen hat, dann tut sich so viel Neues auf, dann ist eine "Anderstartigkeit" auch nicht schlimm, sondern überlebensnotwenig.
Singe doch weiter, es geht, wenn Du willst, wenn auch anderst als vorher.
Kannst Du Dir vorstellen, dass ich Turne und der Schwebebalken mein Lieblingsgerät ist?
Ich bin froh, dass ich mir selbst dabei nicht zusehen kann, aber das lasse ich mir nicht versauen, auch wenn immer jemand neben mir laufen muss und Händchen hält.
Aber auch mir geht es so, dass ich mich oft nicht wohlfühle, wenn mir nachgeguckt wird oder ich unter vielen Menschen bin.
Aber nicht weil die anderen besser aussehen oder so, sondern weil es mich traurig macht, dass es so viele gibt, die mit meinem Aussehen nicht umgehen können oder gar nicht wollen.
So viele Leute die in der Gewohnheit (an andere Körper) leben. Und da etwas falsch verstehen:
nicht normal sein muss anstrengend sein,
gut dass ich normal bin -> Gedanken daran verdrängen, sonst Gefahr der Erkenntnis, dass man selbst nicht normal ist...schrecklicher Gedanke, könnte ja Arbeit und ein Schritt zu sich selbst sein, wie anstrengend.
Stimmt aber gar nicht, wenn man den Gewinn dadurch begriffen hat.
Vielleicht ist es unsere Berufung, der Welt eine Normalität abzusprechen.

Wünsch Dir was,
Kessi
Spila
treues Mitglied
treues Mitglied
Beiträge: 364
Registriert: Mo, 16.12.2002 - 00:00
Wohnort: St. Gallen und nähe Basel, Schweiz

Beitrag von Spila »

Lieber Tobias

Ich "muss" jetzt glaub noch meinen letzten Post noch etwas ausführlicher schreiben (nachdem ich sooo lange Posts gelesen habe...).
Spila hat geschrieben:Lieber Tobias

Ich hab mit grosser Freude deinen Post gelesen.
Nach den Formalitäten rein ins Leben und geniessen!!

Gruss
Theres
Was mich besonders an deinem Posts gefreut hat, war, dass ich gespürt habe, dass du wirklich alles abwägen willst und nicht bloss einem Doc die Entscheidung überlässt, das braucht viel Kraft! Ich glaube auch, dass du deine Einstellung zu dir selbst ein bisschen verändert hast (mehr dich selbst, nicht dass ich dir etwas aufzwingen möchte) und du bist auch viel selbstbewusster geworden.


Ich hoffe, du lernst dich mit deinen Stärken und Schwächen zu akzeptieren. Das ist am Anfang nicht ganz einfach. Ich hab feinmotorische Störungen (das heisst bin in Bewegungssachen nicht immer so geschickt) und kapier halt so Bewegungssachen nicht so schnell. Da ich auch überhaupt kein Rhythmusgefühl hab (hab da einen echt schlechten Musiklehrer gehabt) hatte ich echt Mühe, eine Step-Übung vorzuzeigen (im Sportunterricht) und ich musste mich echt motivieren, das als Herausforderung zu sehen. Am Schluss hats mir dann auch Spass gemacht. Auch sonst merk ich das z.T. im Sportunterricht, dass ich so Bewegungssachen (wenn man da viele Sachen kombinieren muss) etwas länger brauche als meine Klassenkameradinnen, aber an das hab ich mich gewöhnt. Dafür hat glaub niemand von meiner Sportklasse so ein freches Maul und so ein Durchsetzungsvermögen wie ich.


Hier ein (berühmter) Satz, den ich in meinem Schulkameraden-Buch von meiner Lehrerin gefunden habe, er gilt auch für dich (und für uns alle):

Lieber Tobias,
geh deinen Weg und lass die Leute reden, denn die Leute reden viel!
... that's life, but we've got only one, so let's make the best out of it!
sabine 68
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 161
Registriert: Do, 07.11.2002 - 00:00

Beitrag von sabine 68 »

Hallo Tobias,
ich habe erst einmal tief durchgeatmet ,als ich deine Entscheidung gelesen habe,ZUM GLÜCK.
Mir ist einfach seit ich Dich kennengelernt habe ,nichts eingefallen was ich Dir hätte sagen können ,ich war praktisch sprachlos,etwas jemandem zu mailen den man nicht kennt ist sehr viel einfacher,mir wurde aber in Salzungen klar, das es sehr verzwickt ist ,und Du Dir selbst im Weg stehst,ich bin froh das Du Dich so entschieden hast .Mit einer riesenlangen Narbe und einer Bewegungseinschränkung kämst Du wahrscheinlich genauso schlecht klar.
Es ist noch gar nicht solange her ,dass ich auch der Meinung war ,mit einer OP wären alle meine Probleme gelöst,Wirbelsäule wieder gerade und schwupp ist alles ok.Natürlich träume ich auch noch davon wie schön es wäre einen geraden rücken zu haben ,und nicht scheussliche Krummrückenbilder beim Entenfüttern in Salzungen von mir sehen zu müssen.
Und wenn mein Krankengymnast meint ,er würde mich schon wieder gerade kriegen und meinen Scheuermann ,den hätte ich ja in der Jugend gehabt und so weiter, dann weiss ich was ich davon zu halten habe und verrenne mich nicht in einen wunschgedanken.
Übrigens, als mein Krankengymnast meinte ich soll doch Singen gehen um meine Bauchatmung zu verbessern ,habe ich Dich beneidet,ich hasse es zu singen und möchte meine Krächtsstimme auch niemandem zumuten.
Nun hoffe ich, Du hast mich nicht falsch verstanden und ich bin Dir nicht zu nahe getreten :/

Sabine
Sei froh ,es könnte schlimmer kommen und ich war froh und es kam schlimmer.
Allegra
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 240
Registriert: Fr, 15.11.2002 - 00:00
Wohnort: Offenbach

Beitrag von Allegra »

Hallo Tobias,

wie schön, dass Du Dich so entschieden hast! Ich finde, Du gehst den richtigen Weg.

Du fragst, was wir von nicht-operativen Schönheitsmaßnahmen halten. Nun, ich persönlich habe gar nichts gegen Schönheitsmaßnahmen. Wer macht sich nicht gerne hübsch und achtet auf sein Äußeres? Aber es ist doch ein Unterschied, ob man Sport treibt, sich schminkt und hübsche Klamotten kauft, oder ob man sich in einer hoch riskanten Operation (mit fragwürdigem Ausgang) Schrauben und Stäbe in den Rücken einbauen lässt. Und es ist ein Unterschied, ob man sich hübsch macht, weil es einfach Spass macht und einen selber freut, oder ob man sich so sehr über Äußerlichkeiten definiert (und über die Meinung anderer), dass man seinem Körper und seiner Seele damit Leid und Qual zufügt. Mode, Schönheit und solcher Schnickschack - das kann viel Spass machen! Es kann aber auch schnell zu einer irrationalen Besessenheit werden. Wie immer kommt es auf die richtige Balance an. Aber das ist meine Meinung -da denkt wohl jeder anders drüber. Auf jeden Fall sollte man Äußerlichkeiten nicht überbewerten. Für ein glückliches Leben sind sie völlig unbedeutend. (Es gibt einen Forschungszweig aus der Psychologie, Soziologie und/oder Philosophie, der sich "Glücksforschung" nennt - sehr interessant! Kannst ja mal stöbern...)

Ich habe übrigens neulich einen Film gesehen über gestörte Selbstwahrnehmung und den eingebildeten Glauben, "häßlich", "verkrüppelt" oder "zu dick" zu sein (das ist tatsächlich eine Krankheit!). Erschütternd. Kämpfe dagegen an!

Ich bin froh über Deine Entscheidung!

Jenny
Tobias78
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 62
Registriert: Mo, 11.11.2002 - 00:00

Beitrag von Tobias78 »

Hallo!

Erstmal möchte ich mich noch mal bedanken für Eure langen Beiträge und für Euer Mutmachen. Und natürlich ist mir hier niemand zu nahe getreten oder hat mich verletzt, im Gegenteil!!!
Jenny Tina hat geschrieben: Ich habe übrigens neulich einen Film gesehen über gestörte Selbstwahrnehmung und den eingebildeten Glauben, "häßlich", "verkrüppelt" oder "zu dick" zu sein (das ist tatsächlich eine Krankheit!). Erschütternd. Kämpfe dagegen an!
Ich habe mich in der Tat auch schon gefragt, ob ich nicht wie ein magersüchtiges Mädel bin, die mit 35 kg vor dem Spiegel steht und denkt: „Noch 10 kg weniger, dann bin ich schön“. Nur ich denke halt: „35° weniger, dann ist es ok.“
Andererseits kann niemand bestreiten, daß ich 35° zuviel hab (bezogen auf den Durchschnitt). Und sicher ist Schönheit relativ, aber ich habe noch niemanden getroffen, der einen Buckel schön findet. Dasselbe gilt für die Trichterbrust. Vielleicht sind andere nicht ganz so kritisch mit sich selbst, das kann schon sein. Aber ich denke inzwischen auch, der Gedanke „Wenn meine WS erstmal gerade ist und vielleicht die Trichterbrust weg ist, dann lösen sich alle anderen Probleme von selbst“ ist wahrscheinlich eine Illusion.

Und mit der Musik, das ist halt so eine Sache. Es gibt schon Dinge, die ich nicht gut kann und trotzdem ganz gerne mache und bei denen mich das auch nicht groß stört. Aber bei der Musik halt nicht. Das macht mir nur Spaß, wenn es einigermaßen gut ist und wenn ich voran komme mit dem Üben. Ich finde es einfach furchtbar, wenn ich versuche ein Lied zu singen, und dann ist das Stehen anstrengend, die Luft reicht vorne und hinten nicht, eventuell tut der Rücken weh, usw. Da ist dann überhaupt keine Basis da auf der man aufbauen kann. Aber ich bin sehr gespannt, was Schroth hier bewirken wird.

Ich könnte natürlich nun noch zu vielem was Ihr geschrieben habt „Ja, aber...“ sagen. Ich glaube, das erspare ich Euch. Ich hoffe, Ihr versteht, daß ich trotz Eurer Mühe nicht jetzt schon vor Freude durch die Gegend springe und das Leben super schön finde. Aber wer weiß, vielleicht wird es ja noch, vielleicht ja nach der Kur...

@Toni
Bergwandern mache ich sehr gerne. Ist auch geradezu der ideale Sport für mich. Wegen meines geringen Gewichts bei relativ guter Kondition bin ich sehr schnell, sobald es bergauf geht. Ich war bis jetzt allerdings erst auf 2100m.

@Sabine
Ich weiß nicht, ob man durch singen die Bauchatmung verbessern kann. Höchstens wenn man sie schon ganz gut kann und dann durch das Singen häufig übt. Ich würde eher sagen: Es ist umgekehrt, man muß gezielt die Bauchatmung üben um besser singen zu können. Probier’s doch mal aus.

@Kessi
Wenn ich an Dich denke und daß Du gerne turnst, das macht mich ehrlich gesagt ziemlich traurig. Ich freue mich natürlich für Dich, daß Du es trotzdem machst und daß Du Spaß daran hast. Aber irgendwie kann ich das gar nicht verstehen. Denkst Du denn nie: „Wie schön könnte ich turnen, wenn ich nicht diese schlimme, unnötige, fiese Krankheit hätte“? Und die ist ja schon viel schlimmer als meine.

So, das wollte ich noch sagen. Und noch mal vielen Dank, Ihr seid wirklich super nett!
Tobias
Benutzeravatar
Sabi
Profi
Profi
Beiträge: 1084
Registriert: Fr, 17.01.2003 - 09:40
Geschlecht: weiblich
Diagnose: Skoliose
Hypermobilität
Spondyloarthritis
Therapie: aktuell Nachtkorsett von Rahmouni
manuelle Therapie
Schroth-KG

Beitrag von Sabi »

Hallo Tobias,
ich wollte dir nur ein Zitat Dr.Hoffmanns ans Herz legen,das auch Toni schon erwähnt hat:
Skoliotiker/Kyphotiker sind nicht krank,nur krumm !!!


Lieber Gruß,Sabi :flower: :flower:
In der Idee leben heißt,
das Unmögliche behandeln,
als wenn es möglich wäre.
Goethe
kessi
treues Mitglied
treues Mitglied
Beiträge: 263
Registriert: Fr, 31.05.2002 - 00:00
Geschlecht: weiblich
Diagnose: c-förmige, neuromuskuläre Skoliose, 52° (?) lumbal
Therapie: Korsett von Rahmouni, KG ZNS, mT

Beitrag von kessi »

Tobias78 hat geschrieben:@Kessi
Wenn ich an Dich denke und daß Du gerne turnst, das macht mich ehrlich gesagt ziemlich traurig. Ich freue mich natürlich für Dich, daß Du es trotzdem machst und daß Du Spaß daran hast. Aber irgendwie kann ich das gar nicht verstehen. Denkst Du denn nie: „Wie schön könnte ich turnen, wenn ich nicht diese schlimme, unnötige, fiese Krankheit hätte“? Und die ist ja schon viel schlimmer als meine.
Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit
(Sören Kierkegard)

Natürlich denke/weiß ich, dass ich anderst besser turnen könnte...
Aber nicht im Verhältnis!
Von meinen Fähigkeiten ausgehend wäre ich nicht besser, nur im DIREKTEN Vergeich. Und den mache ich nicht, weil man das gar nicht kann.
So fühle ich mich (meistens) auch nicht krank. Und deshalb kann die Krankheit nicht fies und schlimm sein, da ich sie nicht bestimmen lasse. Und unnötig auch nicht, denn ohne wäre ich nicht ich und das wäre furchtar!

Wenn Du es schaffst das als einen (notwendigen) Teil von Dir selbst zu akzeptieren (heißt nicht, dass Du Dich darüber endlos freuen sollst), dann fühlst Du Dich nicht mehr krank, ein Vergleichen ist nicht mehr nötig und Du kannst Dich als GANZES lieben (und in Folge davon auch die anderen, egal mit welchen Voraussetzungen oder Fähigkeiten).
Der einzige Haken dabei ist eben "nur", dass es sich viel einfacher anhört als es ist. Das bedeutet (lohnende) Arbeit und wie ich sehe hast Du schon angefangen zu arbeiten (ohne das Du weißt, was auf Dich zukommt), das ist mutig, wie weit Du Dich schon bewegt hast, auch wenn es nicht so scheint.
Weiter so!
kessi
sabine 68
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 161
Registriert: Do, 07.11.2002 - 00:00

Beitrag von sabine 68 »



Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit
(Sören Kierkegard)


kessi
Genau !!!!!!

@Kessi :von Dir und Deiner Einstellung kann selbst ich nochwas lernen.
@Tobias:Ich wünsche Dir ,daß Du auch einmal soweit kommst, sonst wirst Du krank vor Unzufriedenheit.

Sabine
Sei froh ,es könnte schlimmer kommen und ich war froh und es kam schlimmer.
Antworten