Ab wann spricht man von Kyphose?

Infos zu weiteren WS-Deformitäten, die mit Skoliose zusammen oder alleine auftreten
Antworten
Benutzeravatar
NettiAngel
treues Mitglied
treues Mitglied
Beiträge: 278
Registriert: Fr, 19.04.2002 - 00:00
Wohnort: Hannover

Ab wann spricht man von Kyphose?

Beitrag von NettiAngel »

Hallo,

was genau ist Kyphose? Versteht man darunter auch schon einen durch Haltungsschwäche bedingten Rundrücken?
Bin mir bei einer Freundin nicht ganz sicher, sie hat einen ziemlichen Rundrücken...der wohl eher durch schlechte Körperhaltung kommt. Würde sie ja gerne mal darauf ansprechen, jedoch bräuchte ich vorher ein paar mehr Info's. Kenne mich in dieser Sache nicht sonderlich gut aus.
Ich weiß nicht einmal genau was Kyphose ist.
Vielleicht könnt ihr mich ja aufklären! ;-)
Man muss sich stets vergegenwärtigen, dass der heutige Tag nur einmal kommt. Er kehrt niemals wieder!
Benutzeravatar
Toni
Profi
Profi
Beiträge: 4374
Registriert: Sa, 20.04.2002 - 19:07
Geschlecht: männlich
Diagnose: M. Scheuermann Kyphose (urspr. 68°)
M. Baastrup
Therapie: 1 Boston B.O.B.
1 Milwaukee
2 Rahmouni´s
1 TüKO
Und SCHROTHen bis bis die Sprossenwand qualmt und sich die Spiegel krümmen!
Wohnort: Allgäu

Beitrag von Toni »

Hallo Janett
Eine Kyphose ist eine Schwingung/Kurve der Wirbelsäule nach hinten/außen. Im gegensatz dazu steht die Lordose eine Schwingung/Kurve der WS nach innen in den Körper hinein. Von der Seite betrachtet macht die WS in der Lendenwirbelsäule zuerst eine Schwingung Schwingung nach innen (konkav) die wir oft als "Hohlkreuz" bezeichnen. Dann schwingt die BWS darüber wieder nach außen und bildet den Rücken. dann schwingt die HWS wieder nach innen und bildet die Lordose der Halswirbelsäule. Bis zu einem Grad von ca. 35°- 45°Cobb (da sind sich die Orthopäden selbst noch nicht ganz einig ist die BWS-Kyphose anatomisch und physiologisch ganz normal. Über 50°Cobb wirds dann kritisch und ab ca. 60° dringend behandlungspflichtig und über 70° besteht nach Ansicht vieler Fachleute OP-Indikation.
Über 50°Cobb spricht man eigentlich nicht mehr von Kyphose- sondern von Hyperkyphose! Oft bildet sich/bilden sich kompensatorische Gegenkrümmungen um den Rundrücken auszugleichen durch verstärktes Hohlkreuz (Hyperlordose) und entsprechende Fehlstellungen der HWS.
All dies im gegensatz zur Skoliose nur sagittal und in der Regel ohne Torsion und Rotation der Wirbel. Ist aber sehr oft mit einer leichten Skoliose verbunden, bei mir z.B. mit 12°Cobb.
Ein typisches Beispiel siehst Du hier in diesem Bild: Bild
Wenn Du Deine Freundin ansprichst, dann musst Du sehr diplomatisch vorgehen! Ich habe es als 14-15 jähriger auf den "Tod nicht leiden können" wenn mich irgendjemand auf meine schlechte Haltung angequatscht hat!
Andererseits wäre ich heute froh und hätte sicher weniger Probleme, hätte ich als jugendlicher rechtzeitig eine adäquate Therape bekommen können!
Aber dann wäre ich vieleicht heute noch einfacher Gärtner und hätte mich vieleicht nie durch Weiterbildung/Studium von diesem schönen aber rückenfeindlichen Beruf abgewandt!
Wenn Du Dir wirklich sicher bist, daß die eine HYPERKYPHOSE hat, dann sprich Sie an, aber überleg Dir gut, wie Du sie motivieren willst einen Orthopäden aufzusuchen. Und die meisten Orthopäden sind dann auch noch inkompetent um juvenile Kyphosen oder Scheuermänner/Scheuerfrauen richtig und konsequent genug zu behandeln und zu motivieren was tun!
Gruß Toni[/img]
Benutzeravatar
Toni
Profi
Profi
Beiträge: 4374
Registriert: Sa, 20.04.2002 - 19:07
Geschlecht: männlich
Diagnose: M. Scheuermann Kyphose (urspr. 68°)
M. Baastrup
Therapie: 1 Boston B.O.B.
1 Milwaukee
2 Rahmouni´s
1 TüKO
Und SCHROTHen bis bis die Sprossenwand qualmt und sich die Spiegel krümmen!
Wohnort: Allgäu

Beitrag von Toni »

Hallo Janett- noch was:
Wenn Du erstmal gute und fundierte Info zum Thema Kyphose lesen willst, dann lies die LESEPROBE -Link unter den rechten, blauen Buch "Die nichttraumatische Kyphose der Wirbelsäule". Der Text strotzt aber von med. Fachausdrücken und Du wirst ein medizinisches Wörterbuch "Cyber-Pschyrembel" (z.B.: http://www.netdoktor.at/wegweiser/dictionary/frame.asp
oder
http://www.roche-lexikon.de/gscout/
brauchen, um Dich da durchzukämpfen.
Aber Du lernst dabei auch viel für Dich!

Kommst Du zum Treffen nach Salzu?
Liebe Grüße
Toni
Benutzeravatar
NettiAngel
treues Mitglied
treues Mitglied
Beiträge: 278
Registriert: Fr, 19.04.2002 - 00:00
Wohnort: Hannover

Beitrag von NettiAngel »

Hallo Toni,

vielen dank für deine ausführliche Antwort.
Weiß man eigentlich woher Kyphosen kommen? Oder sind die auch alle idiopatisch.
Ich werde mir nachher mal in Ruhe die Text durchlesen. Stehe allerdings gerade etwas im Zeitdruck. :rolleyes:

Ich denke schon das ich sie mal (wenn sich die Gelegenheit ergibt) darauf anspreche. Das Problem wäre nur, wenn sie dann wirklich zum Orthopäden geht, das ich hier in der Gegend leider keinen guten Empfehlen könnte. Kann den Grad auch ein ganz normaler Orthopäde ausrechnen?
Man muss sich stets vergegenwärtigen, dass der heutige Tag nur einmal kommt. Er kehrt niemals wieder!
Tobias78
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 62
Registriert: Mo, 11.11.2002 - 00:00

Beitrag von Tobias78 »

Hallo Janett!

Die meisten Kyphosen sind wohl auch idiopathisch, das ganze nennt man dann M. Scheuermann. Allerdings kommen dabei auch noch Veränderungen an den Wirbelkörpern vor (bei Skoliose glaub ich nicht), z.B. unregelmäßige Deckplatten, verbreiterte Wirbel, usw.
Der Unterschied zu einer schlechten Haltung ist, daß man diese aktiv sofort vollständig ausgleichen kann. Eine schlechte Haltung während der Wachstumszeit kann, muß aber nicht zu einer Kyphose bzw. zu M. Scheuermann führen. Man sollte aber unbedingt darauf achten.
Einen richtigen Kyphosewinkel kann man nur auf einer Gesamtaufnahme der WS messen und dazu reicht das Röntgengerät der meisten Orthopäden nicht aus. Und selbst auf den Teilröntgenbildern macht sich der Durchschnittsorthopäde nicht die Mühe einen Winkel auszumessen.
Ich habe z.B. mal folgendes erlebt: Vor ein paar Jahren, als ich noch nicht wußte, daß ich Scheuermann habe, war ich wegen Rückenschmerzen bei einem Orthopäden. Der machte Röntgenaufnahmen, sagte nichts zu meiner Kyphose (obwohl es 80° sind) und verschrieb mir KG wegen einem minimalen Beckenschiefstand und einer Skoliose von vielleicht 10°. Unglaublich! Naja, der zweite Orthopäde hat dann wenigstens M. Scheuermann diagnostiziert und von einer leicht verstärkten Kyphose gesprochen, gemessen hat er sie aber auch nicht.

Viele Grüße,
Tobias
Benutzeravatar
BZebra
Profi
Profi
Beiträge: 4915
Registriert: Mo, 20.05.2002 - 15:06

Beitrag von BZebra »

Tobias78 hat geschrieben:Die meisten Kyphosen sind wohl auch idiopathisch, das ganze nennt man dann M. Scheuermann.
Kyphose und M.Scheurmann sind aber zweierlei paar Stiefel.
Die Kyphose ist strenggenommen die Hyper Kyphose. Der Scheuermann eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der die Deckplatten der Wirbelköroper einbrechen und die eingebropchenen Stellen mit Knorpelmaterial der Bandscheidben gefüllt werden, weshalb es zu einer Versteifung der WS kommt und infolge von schlechter Haltung zu einer Versteifung in selbiger.
Es sind zwei ERkrankungen die also nicht zwngsläufig gemeinsam auftreten. Es gibt Kyphosen ohne Schuermann genauso wie es Scherumann ohne Kyphose gibt.

LG,
BZebra
Tobias78
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 62
Registriert: Mo, 11.11.2002 - 00:00

Beitrag von Tobias78 »

Hallo BZebra!

Klar, mit „Kyphose“ ist meist „Hyperkyphose“ gemeint. Die beiden Begriffe werden ja oft (von mir auch) synonym verwendet, aus dem Zusammenhang wird (hoffentlich) klar, was gemeint ist.
Ich denke, weder (Hyper-)Kyphose, noch Skoliose sind Krankheiten sondern Symptome. Da bei Hyperkyphose aber normalerweise noch weitere radiologischen Zeichen existieren und diese zuerst von Scheuermann beschrieben wurden hat man das Ganze halt M. Scheuermann getauft. Aber auch diese Zeichen sind Symptome, ihre Ursache ist unbekannt bzw. Spekulation und somit auch idiopatisch. Sie sind sogar bis zu einem gewissen Grad normal. Genau wie bei Skoliose gibt es auch bei Scheuermann bislang nur sypmtomatische Behandlungsmöglichkeiten und keine ursächlichen.
So viel ich weiß, ist M. Scheuermann keine Erbkrankheit, es gibt lediglich eine gewisse genetische Disposition. Du hast recht, es gibt Scheuermann auch ohne Kyphose. Aber wohl alle Kyphosen, die im Jugendalter auftreten und die fixiert sind werden (sozusagen per Definition) M. Scheuermann genannt, obwohl es vielleicht in Wirklichkeit mehrere verschieden Krankheiten sind, die auf verschiedene Ursachen zurückgehen. Aber man weiß es wohl nicht. Ich z.B. habe so gut wie keine Deckplatteneinbrüche.
Und wie Du an anderen Stelle auch schon richtig gesagt hast, es ist ja letztlich auch egal. Mir ist es sch... egal wo die Kyphose herkommt, Hauptsache sie ist bald wieder weg.


Viele Grüße,
Tobias
Benutzeravatar
BZebra
Profi
Profi
Beiträge: 4915
Registriert: Mo, 20.05.2002 - 15:06

Beitrag von BZebra »

Tobias78 hat geschrieben:Aber wohl alle Kyphosen, die im Jugendalter auftreten und die fixiert sind werden (sozusagen per Definition) M. Scheuermann genannt
Ne, genau an der Stelle hast Du glaube ich etwas falsch verstanden. Es werden überhaupt keine Kyphosen als M.Scheuermann bezeichnet oder definiert und um M.Scheuermann zu diagnostizieren müssen im Röntgenbild auch die entsprechenden Veränderungen an den Wirbelkörpern festzustellen sein, sonst kann man da nur von einer Kyphose sprechen.
Es gibt schon sehr viele Jugendliche mit starker Kyphose, die aber keinen Scheuermann haben.
Tobias78
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 62
Registriert: Mo, 11.11.2002 - 00:00

Beitrag von Tobias78 »

BZebra hat geschrieben:...um M.Scheuermann zu diagnostizieren müssen im Röntgenbild auch die entsprechenden Veränderungen an den Wirbelkörpern festzustellen sein, sonst kann man da nur von einer Kyphose sprechen

Dazu steht folgendes in F. Hefti, Kinderorthopädie in der Praxis (einem Buch, das übrigens bei Herrn Dr. Hoffmann im Regal steht): „Im thorakalen Bereich entscheidend der Gesamtkyphosewinkel und die Klinik. Die Diagnose eines thorakalen M. Scheuermann wird bei einem Gesamtkyphosewinkel von mehr als 50° mit klinischer Fixation der Kyphose unabhängig von den Röntgenveränderungen gestellt.“
Aber die Mediziner sind sich da glaube ich selbst nicht ganz einig. Insofern haben wir vielleicht beide recht.

Viele Grüße,
Tobias
Zuletzt geändert von Tobias78 am Mi, 19.03.2003 - 02:08, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
BZebra
Profi
Profi
Beiträge: 4915
Registriert: Mo, 20.05.2002 - 15:06

Beitrag von BZebra »

Tja, das ist komisch.
Wäre vielleicht noch zu klären was die genau unter "klinischer Fixation" verstehen (wo das anfängt und wo das aufhört). Eigentlich ist jede WS-Deformität teilfixiert. Ein Teil davon ist aktiv aufrichtbar, ein anderer Teil ist es nicht, ansonsten würde man nur von einer Haltungsschwäche sprechen. (???)
Tobias78
aktives Mitglied
aktives Mitglied
Beiträge: 62
Registriert: Mo, 11.11.2002 - 00:00

Beitrag von Tobias78 »

BZebra hat geschrieben:Wäre vielleicht noch zu klären was die genau unter "klinischer Fixation" verstehen (wo das anfängt und wo das aufhört).
Ich hab mir dazu mal folgende Gedanken gemacht:
Der Kyphosewinkel setzt sich zusammen auf einem Knochenwinkel (=Summe aller Winkel Grundplatte-Deckplatte der einzelnen Wirbel) und einem Bandscheibenwinkel (=Summe aller Winkel Deckplatte-Grundplatte des drüberliegenden Wirbel). Der Kyphosewinkel ist die Summe aus beiden, wobei der Bandscheibenwinkel negativ sein kann. Dieser ist auch stark veränderlich durch die Beweglichkeit der Bandscheiben. Grob vereinfacht könnte man wohl sagen: Ideal ist 35° Knochenwinkel und 0° Bandscheibenwinkel (normal stehend).
Wenn z.B. jemand 60° Kyphosewinkel hat nur auf Grund schlechter Haltung, dann könnte er z.B. einen Knochenwinkel von 40° und einen Bandscheibenwinkel von 20° haben. Macht er Gymnastik oder Krafttraining so kann er den Bandscheibenwinkel wieder auf 0° reduzieren (im normalen Stand, aktiv kann er es natürlich sofort) und hat dann 40° Kyphose.
Derjenige mit fixierter Kyphose hat bei 60° z.B. einen Knochenwinkel von 55° und einen Bandscheibenwinkel von 5°. Wenn er Schroth oder sonstwas macht, kann er den Bandscheibenwinkel vielleicht auf –5° bringen (im normalen Stand) und hat dann nur noch 50° Kyphose. Aber die hat er eben noch, weil der Knochenwinkel (außer im Wachstum und bei Osteoporose) konstant bleibt.
Das äußert sich auch in einer Verschiebung des Bewegungsintervalls. Jemand mit schlechter Haltung kann die BWS zwischen z.B. 10° und 75° bewegen, seine normale Haltung sind 60°. Jemand mit fixierter Kyphose und normaler Haltung von 60° kann die BWS dagegen zwischen vielleicht 40° und 90° bewegen. Zusätzlich zu der Verschiebung kommt es dann noch zu einer Verkleinerung des Bewegungsintervalls.
So könnte man vielleicht Fixation definieren. Aber wie gesagt, daß sind meine Gedanken, keine Ahnung ob die richtig sind oder nicht.

Viele Grüße,
Tobias
Benutzeravatar
BZebra
Profi
Profi
Beiträge: 4915
Registriert: Mo, 20.05.2002 - 15:06

Beitrag von BZebra »

Mh, also von Sobi kann ich zumindest sagen, daß dort unter reiner Kyphose und Kyphose mit Scheurmann unterschieden wird.

--

Die Unbeweglichkeit der WS kommt aber so viel ich weiß nicht nur durch Keilwirbel sondern auch durch die Deckplatteneinbrüche, die Schmorlchen Knoten.

LG,
BZebra
Antworten