Lieber Skywalker.
Ich selbst bin ja seit quasi Geburt mit Einschränkungen konfrontiert worden, daher kenne ich meinen Körper nicht gesund, er war immer "anders". Aber ich empfinde ihn nicht als falsch. Ich habe mit 13 meine erste Schroth Reha gemacht und es war psychisch eine Katastrophe und in vielen weiteren Hinsichten auch. Ich bekam dort vermittelt ich sei nicht richtig so wie ich bin. Sollte immer daran denken gerade zu gehen, gerade zu stehen..nun ist das bei mir aber angeboren, es geht also nicht anders. Irgendwann mit 17 gab ich Schroth auf weil ich mir ständig Blockierungen holte und Jahre später erfuhr ich auch warum es die absolut falsche Therapieform für mich war. Schade dass man mir mit 13, 14 nicht zugehört hat. Es war aber nicht die Krankheit Skoliose, sondern der Umgang anderer damit, deren Obzession.
Mit 14 beschloss ich mein Korsett nicht mehr zu tragen, weil ich im Korsett nicht weniger Grad hatte als ohne, aber mich z.B. zwischen zwei Stäben gut ausgleichen konnte. Ich entschied mich damals dass ich meinem eigenen Körperempfinden trauen würde, und all das tue um mehr Lebensqualität zu bekommen. Wenn es die mir aber raubt, dann verliere ich mehr als ich gewinne. Denn weshalb sonst will ich denn meine Skoliose behandeln lassen..damit es besser wird, mir hilft! Die Krümmung wird vielleicht nicht besser, aber die Beschwerden...
So sehe ich es bis heute und nun bin ich 28.
Ich versuche zu den besten Ärzten und Orthopäden zu gehen, aber auch da stelle ich "mehr Lebensqualität" vor allem anderen.
Versteh mich nicht falsch, ich bin sehr wohl gewillt Schmerzen zu ertragen und mich durchzubeißen, aber nur wenn ich das Gefühl habe dass es was bringt. Ich habe im Oktober ein neues Korsett bekommen. Im Dezember entschied man es müsse ein neues gebaut werden weil ich oben in die Krümmung gehe. Auch wurde das Korsett so verändert dass ich es nicht mehr tragen konnte und ich seit dem Opiate nehmen durfte, weil ich lordosal höllische Schmerzen hatte. Das Opiat konnte ich nach ein paar Wochen wieder absetzten. Was blieb war dass ich weniger Schmerzen als vor der Korsettzeit in der Lende habe, und mich links vom Hauptkrümmungsbogen der Skoliose noch besser strecken kann, es bringt also wohl was! Diese positiven Aspekte versuche ich mir auch immer wieder zu sage, und vor allem erstmal zu realisieren
Mitte Februar bekomme ich ein neues. Die Orthopäden sind sehr bemüht und versuchen ihr Bestes, das merke ich und ich bin ihnen sehr dankbar. Aber dennoch weiß ich dass ich nun wo ich wieder arbeite und meist von 8-20 Uhr außer Haus bin nicht so leicht anfangen werde können das neue Korsett zu tragen. Würde ich nun nur auf deren Ratschläge hören, wär da viel zu viel Druck.
Ich versuche mein Bestes, ich bin bereit zu probieren, aber gleichzeitig kenn bzw. erfahre ich meine Grenzen. Und wenn es mein Leben zu sehr einschränkt, dann is Schluss, dann is da die Grenze. So hoffe ich eine gute Balance zu finden, und nicht zu viel zu wollen. Vor allem hoffe ich so mir einen Ausgleich zu ermöglichen. Ich belohne mich wenn ich weiss dass ich stark war und durchhielt bei der Eingewöhnung, in dem ich mir dann Sachen gönne die bewusst als "Belohnung" dienen sollen, und die ich mir sonst vielleicht nicht so leicht gönnen würde, wie Kinobesuch, Konzertbesuch oder mal mehr Geld ausgeben wenn ich mit Freunden weggehe. Ich versuche die Leichtigkeit in meinem Leben zu erhalten, um abzuschalten, um auszugleichen. Ich lebe mit meiner Behinderung, aber ich möchte sie tragen und nicht sie mich. Dem ist natürlich vorausgesetzt dass ich mich mit meinem Körper annehme was einem in der heutigen Zeit durch die Medien-manipulations-berieselung nicht immer leicht gemacht wird. Und da gibt es kein Patentrezept, aber das ist für mich das A und O. So wie du mit deinen Behinderungen/Einschränkungen/Krankheiten umgehst, so spiegelt es sich meist dann auch bei deinen Bekannten/Freunden etc.
Bei mir ist das alles seit ich 16 bin kein großes Ding, so zumindest mein Eindruck, aber Bekannte nehmen nun durch das Korsett mehr war dass ich wirklich oft nich so kann. Denn damals als Teenie hab ich fürchterlich gelitten. Meine Ärzte, Therapeuten und Eltern fanden alles schlimm, und irgendwann fand ich mich auch schlimm, und Skoliose schlimm, und meine ganzen weiteren Behinderungen schlimm, und dann fand meine Umwelt das auch alles schlimm und das ganze Leben wurde schlimm. Aber das ist Quatsch. Meine Behinderungen sind nicht schlimm. Sie sind einfach da. Und ich kann in vielen Hinsichten besser weil intensiver leben dadurch!
Ich hör das Rauschen der Blätter im Wald, und freu mich. Ich geh mit Freunden was trinken und feier das Leben, und freu mich. Ich hab relativ schmerzfreie Tage, und freu mich. ...ich freu mich über gutes Essen, über tausend Dinge, und nehme Sachen nicht so selbstverständlich. Das hat mein Leben also sehr positiv beeinflusst find ich.
Und wenn ich wie nach Absetzten des Korsetts erstmal wieder total demotiviert bin und deprimiert, dann versuche ich erstmal mir ne Auszeit zu gönnen, z.B. auch vom Forum hier, und nun wo ich nächste Woche das neue Korsett bekomme, da "trainiere" ich meine Gedanken schon mal und stell mich wieder drauf ein und mach Pläne wie ich es diesmal zu handhaben versuche, damit es mich nicht überfordern wird. Also mit Einkaufen Freunde fragen, Tage festsetzen, Wohnung schonmal mehr aufräumen, vorplanen...aber auch nen Abenteuer-Sommer-Urlaub mit Wildnis Camping planen
Es ist schwierig, mit Krankheit und Behinderung zu leben, keine Frage, aber vielleicht gewinnen wir dem Leben gerade dadurch mehr ab, bzw. hinzu, weil wir nicht alles als selbstverständlich erachten, weil wir an den Herausforderungen wachsen, und dadurch wir unser Leben bestimmen, und nicht unsere Skoliose uns.
Wie umgehen mit psychischer Belastung? Lernen und probieren wie wir sie tragen können, ohne uns dabei zu fühlen dass wir sie ertragen. Im Gehirn, an unserem Willen, unseren Gedanken arbeiten, uns annehmen und ein gesundes Gefühl zu uns selbst zu haben. Das kommt nicht von heut auf morgen, aber man kann es sich sehr wohl erarbeiten.
Ich bin auf Grund meiner eigenen Erfahrung überzeugt, das dies möglich ist. Wünsche dir viel Kraft und neuen Mut hierfür, du schaffst das!
Liebe Grüße, Ju