Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

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Silvy76

Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

Beitrag von Silvy76 »

Hallo zusammen,
ich bin Mutter einer Elfjährigen die mit "offenem Rücken" und "Hydrocephalus" geboren wurde. Im Laufe der Jahre hat sich die Wirbelsäule meiner Christiane im Rollstuhl und auch durch gehen mit Orthesen und Gehstöcken sehr gekrümmt, besonders auffällig in den letzten 6 Monaten. Letzte Woche hatten wir einen regelrechten Krankenhaus-Marathon-Tag in der Kinderklinik Erlangen und nun sitze ich da mit einer für uns erschütternden Diagnose. Ihre Skoliose hat sich in den letzten 6 Monaten so sehr verschlechtert, dass wir an einer Wirbelsäulenversteifung nicht mehr vorbeikommen. Nach allem was ich nun so im Netz gefunden hab scheint das eine ziemlich große Op mit großen Risiken zu sein. Hat denn jemand von Euch diese Op schon hinter sich? Von wem in welcher Klinik wurdet ihr operiert? Uns wurde Bayreuth empfohlen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht und welche Folgen hatte diese Op? Wie lange dauert die Heilung bis sie wieder "auf den Füßen" ist und kann sie nach so einer Op denn überhaupt noch wachsen? Sie ist jetzt grad mal 1,32 m groß.
Mich macht das Ganze erstmal ziemlich fertig, es wäre schön, wenn hier jemand etwas zu berichten hätte.
Liebe Grüße, Silvy mit Chrissy
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Raven
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Re: Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

Beitrag von Raven »

Hallo Silvy und Chrissy,

wie groß (Cobb Winkel) ist aktuell die Verkrümmung von Chrissy? Bei welchen Ärzten habt ihr euch bislang vorgestellt? Hier sollte es sich um einen wirklich auf Skoliose spezialisierten Orthopäden handeln; dass es sich bei einem Orthopäden z.B. um einen in einer Uni-Klinik handelt oder um einen, der von Bekannten (mit anderen Beschwerden) empfohlen wurde, sagt reichlich wenig über seine Kompetenz in Bezug auf Skoliose-Behandlung aus. Möglicherweise gibt es noch eine realistische Chance, eine OP durch eine Korsetttherapie zu umgehen, aber das lässt sich so nicht abschätzen (abhängig z.B. von Cobb-Winkel und Position der Verkrümmung, auch, ob ein Korsett bei ihren sonstigen Einschränkungen überhaupt anwendbar wäre).
Auch wenn ich jetzt im Folgenden mehr über eine OP schreibe - der Sache mit dem Korsett sollte dennoch nachgegangen werden.

Bezüglich der OP gibt es mehrere sich im Detail unterscheidende Verfahren. Als am wichtigsten ist in eurem Fall der Unterschied zwischen mitwachsenden und nicht mitwachsenden Systemen zu nennen; den Punkt des Wachstums hast du ja auch angesprochen. Bei nicht mitwachsenden Systemen wird die Wirbelsäule, bzw. ein großer Anteil der Wirbelsäule, gleich versteift. In diesem Bereich kann dann kein Wachstum mehr stattfinden; weiterwachsen kann sie nur noch in anderen Wirbelsäulenabschnitten, und natürlich z.B. in den Beinen. Speziell für Kinder im Wachstum gibt es OP-Verfahren, bei denen ein verlängerbares Implantatsystem verwendet wird. Dieses kann nach und nach im Wachstum angepasst werden, was entweder durch weitere OPs (die weniger schwerwiegend als die Haupt-OP sind) oder durch ein neuartiges System, bei dem das Implantat von außen per Magnet nachgestellt wird, erfolgen kann. Wenn das Wachstum abgeschlossen ist, erfolgt eine Versteifungs-OP.
Wie lange dauert die Heilung bis sie wieder "auf den Füßen" ist
Das hat natürlich etwas damit zu tun, was man unter "auf den Füßen" genau versteht. Ein paar Anhaltspunkte, wobei sich diese auf Patienten, die "nur" Skoliose haben (je nach Ausprägung der Einschränkungen deiner Tochter durch spina bifida und Hydrocephalus kann manches länger dauern, vielleicht fallen auch manche der genannten Punkte für sie komplett weg), beziehen: Den meisten Patienten ist es möglich, nach wenigen Tagen mit Hilfe aufzustehen, um am Gehwagen ein paar Schritte zu machen. Der Klinikaufenthalt dauert etwa ein bis zwei Wochen. Die Patienten sind dann dazu in der Lage, mit etwas Hilfe einen rudimentären Alltag zu schaffen: sich selbst ankleiden (evl. noch Hilfe bei Socken und Schuhen), selber normal essen, sich im Bett selbst umdrehen, mittlere Wegstrecken inklusive Treppen gehen, sitzen (noch nicht ausdauernd), ein gewisses Maß an Körperpflege (alleine auf die Toilette gehen, Oberkörper waschen, Zähne putzen; Hilfe ist aber oft noch beim Kämmen/Frisieren, Haarewaschen, Duschen und dem Waschen der Beine und Füße nötig).
Bis wieder Schulbesuch möglich ist, dauert es mehrere Wochen bis wenige Monate. Diese Zeitspanne kommt meist dadurch zustande, dass früher kein sicherer Transport in die Schule möglich ist (überfüllter rempeliger Schulbus kann noch nicht zugemutet werden, und nicht jedes Kind kann immer per Auto gebracht werden), es in der Schule keine Möglichkeit zum Hinlegen gibt o.ä. Dem Unterricht folgen könnten die meisten früher. Wenn es absehbar ist, dass aus Gründen wie den genannten ein Schulbesuch nicht frühzeitig möglich ist, macht es Sinn, sich um Hausunterricht zu kümmern. Mehr Infos dazu finden sich auch im Skoliose-OP-Forum.
Sport - ich weiß ja nicht, welcher Sport für Chrissy möglich ist - oder sportähnliche Betätigungen (z.B. Reittherapie, im Spaßbad auf die Wasserrutsche, bestimmte stärker beanspruchende Formen der Physiotherapie o.ä.) sind fürs erste Jahr nicht erlaubt. Ausnahme: Schwimmen, Physiotherapie. Möglicherweise sind manche Rollstuhlsportarten, bei denen man nicht stürzen kann und auch ansonsten keine allzu hohen Kräfte auf den Körper wirken, ebenfalls früher erlaubt.

Bei mir selbst wurde eine Versteifungs-OP zur Korrektur der Skoliose im Alter von 13 Jahren durchgeführt. Hierbei wurde kein mitwachsendes System verwendet, da mein Wachstum schon abgeschlossen war (bin auch zuvor, selbst wenn man die Krümmung rausgerechnet hat, nicht mehr gewachsen). Meine eigenen Erfahrungen damit sind gut, für mich war es die richtige Entscheidung. Mit "gut" meine ich bei weitem nicht, dass die OP leicht war; keinesfalls will ich leugnen, dass es eine harte Zeit war. Aber ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, ich bin sicher, dadurch deutlich an Lebensqualität gewonnen zu haben und bin froh, dass es die Möglichkeit solcher OPs gibt.
Die OP, in der ich operiert wurde, kann ich trotz eigener sehr guter Erfahrungen dort allerdings nicht weiterempfehlen, schlichtweg, da ich keine Erfahrungen damit habe, wie es dort mit den aktuellen OP-Techniken, Ärzten etc. aussieht und die Klinik im Vergleich zu anderen abschneidet. In den 15 Jahren seit meiner OP hat sich ja einiges geändert.
Die Klinik in Bayreuth ist mir auch von anderen Patienten nicht bzgl. Skoliose-OPs bekannt.

Zur Information kann ich euch das Forum unter www.skoliose-op.info sehr empfehlen, da es dort viel mehr Patienten als hier gibt, denen eine OP bevorsteht oder die sich bereits einer OP unterzogen haben. Dort finden sich auch aktuelle Erfahrungsberichte zu verschiedenen OP-Kliniken.

Viele Grüße & alles Gute,
Raven
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kiki68
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Re: Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

Beitrag von kiki68 »

schau mal hier rein, da wird im Schnelldurchlauf über das mitwachsende System berichtet. Ich habe gehört, dass dies auch an der Uni Göttingen praktiziert wird. Persönliche Erfahrungen kann ich dir hierzu nicht benennen.

http://www.wdr.de/mediathek/html/region ... inzeit.xml
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rejoy
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Re: Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

Beitrag von rejoy »

ich bin Mutter einer Elfjährigen die mit "offenem Rücken" und "Hydrocephalus" geboren wurde. Im Laufe der Jahre hat sich die Wirbelsäule meiner Christiane im Rollstuhl und auch durch gehen mit Orthesen und Gehstöcken sehr gekrümmt, besonders auffällig in den letzten 6 Monaten
Die Vorerkrankung deiner Tochter wird dabei sicher eine Rolle spielen, auch im Hinblick auf die Frage wie gut eine solche OP machbar ist und welches Verfahren gewählt werden sollte.

Allerdings bin auch ich der Meinung, dass in der Frage das letzte Wort evtl. noch nicht gesprochen wurde. Es gibt hier im Forum zahlreiche Fälle, die aus Sicht von 0815 - Orthopäden hätten operiert werden müssen, die dann aber mit Hilfe entsprechender Spezialisten um die OP herum gekommen sind.

Ich würde dir raten Dr. Hoffmann in Leonberg bei Stuttgart aufzusuchen. Er arbeitet mit dem Orthoädietechniker Rahmouni zusammen, der falls die Möglichkeit besteht mit einem Korsett noch etwas erreichen zu können, ein gutes bzw. bei hochgradigen Skoliosen vermutlich das beste Korsett bauen kann. Erst wenn die beiden eine OP für unausweichlich halten, würde ich das dann auch glauben.
Dr. Hoffmann könnte auf jeden Fall eine kompetente Zweitmeinung abgeben und im Falle einer doch nötigen OP euch an eine kompetente Adresse weitervermitteln.

Eine weitere Sache die denke ich auch noch zu klären wäre (wurde vielleicht auch schon geklärt) ist die Frage, ob deine Tochter am Tethered Cord Syndrom leidet. Das ist eine Erkrankung, die häufig vergesellschaftet ist mit anderen Störungen des Rückenmarks (wie z.B. spina befida). Bei dieser Erkrankung ist das Rückenmark am unteren Ende der WS festgewachsen, wodurch es ständig unter Zug ist. Diese Erkrankung kann die Ursache für eine rasch fortschreitende Skoliose sein kann. Vielleicht erzähle ich dir da gar nichts neues, aber vielleicht auch doch und dann wäre es sicher sinnvoll, vor einer Skoliose-op diese Sache abzuklären. Das Tethered Cord Syndrom kann operativ behoben werden. Die Skoliose bildet sich dann zwar nicht zurück und sie müsste trotzdem behandelt werden, aber eventuell kann die Progredienz abgeschwächt werden.
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Re: Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

Beitrag von minimine »

Hallo Silvy76,

wie stark ist denn die Verkrümmung bei deiner Tochter? Da ich ursprünglich auch aus Oberfranken komme (wir können uns diesbezüglich auch gerne per PN austauschen, hierfür müsstest du dich aber hier registrieren), kenne ich natürlich ein wenig die Kliniken, die du benennst. Ich war einige Zeit selbst in der Uni-Klinik Erlangen (Waldkrankenhaus) in Behandlung. Dort wollte man mich auch operieren, aber ich wollte nicht, bin dann zu Dr. Hoffmann nach Leonberg gewechselt.

Eins vorweg, selbst wenn eine OP wirklich unausweichlich ist, dann bitte nur in einer Spezialklinik, auch wenn weitere Wege in Kauf genommen werden müssen. Mir ist definitiv nicht bekannt, dass Bayreuth in Sachen Skoliose hier dazu zählen würde. :nein: Habe gerade auch mal nachgeguckt, die Kllinik in Bayreuth führte insg. ganze 4 Skoliose-OP´s durch. Man erhält ja allerdings oft von Bekannten eine Empfehlungen, weil irgendwer dort mit einer anderen Erkrankung gute Erfahrungen gemacht hätte, man kann diese aber nicht auf alle Erkrankungen projezieren und gerade bei einer solch schweren OP wie die einer Skoliose-OP sollten man unbedingt nur erfahrene Hände dran lassen.

Ich kann dir auch nur Dr. Hoffmann in Leonberg b. Stuttgart empfehlen, von Oberfranken aus ist man eigentlich auch schnell dort. Wenn eine OP notwendig sein sollte arbeitet er mit der Klinik Neustadt in Holstein zusammen, ist zwar weit, aber die führen die meisten Skoliose-OP´s durch. Wenn ein Korsett noch möglich sein sollte, arbeitet er mit der Orthopädietechnik Rahmouni zusammen.

Es gibt auch noch andere namhafte Kliniken, die häufig Skoliose-OP´s durchführen, z.B. im Behandlungszentrum in Vogtareuth oder in der WWK Bad Wildungen. Zur Entscheidung, ob überhaupt OP oder doch noch ein konservativer Behandlungsversuch, würde ich aber unbedingt erst einen Spezialisten aufsuchen, der auch darin Erfahrung hat, OP-Kliniken sind sonst meistens sehr schnell bei OP-Empfehlungen.
LG
Minimine

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tinaelias

Re: Wirbelsäulenversteifung beim Kind, wer hat Erfahrung?

Beitrag von tinaelias »

Hallo Ihr zwei, ich habe vor zwei Jahren mit meiner damals 16jähringen Tochter diese Op durch führen lassen. Sie hatte über mehrere Jahre eine Korsett Versorgung, die für sie und auch für mich nicht wirklich optimal war. Ich habe selber die Op immer wieder raus geschoben, bis meine Tochter zum Schluß Schwierigkeiten hatte mit dem Essen und Trinken. Es blieb fast nix mehr im Magen. Den Grund erfuhr ich nach der gelungen Op.
Meine Tochter wurde nach eingehender Untersuchung in der Hohen Warte von Dr. Keil operiert worden. Es waren zwei Operationen nötig. Die erste Op wurde vom Bauch/ Seite gemacht. Wobei der untere Teil erst einmal begradigt wurde. Nach ca. zwei Wochen wurde die komplette Wirbelsäule von oben nach unten versteift. Wir waren insgesamt 5 1/2 Wochen in der Hohen Warte, wobei sie jeweils nach der Op in der Kinderklink auf der Intensiv Station war. Wir hatten keine Komplikationen, weder in der Op noch nach der Op. Der Heilungsprozess verlief vorbildlich. Allerdings, haben wir anschließend noch drei Monate gebraucht, bis sich meine Tochter an die neue Situation gewöhnt hatte.
Solch eine so große Op bedarf immer mehrere Meinungen, also falls Du Dir mit deiner Klinik nicht auf einen Nenner kommst, hole Dir noch eine weitere Meinung ein. Es ist keine leichte Op und Komplikationen sind nicht immer aus zu schließen, aber Letztendlich mußt Du als Mutter oder Eltern die Verantwortung dafür übernehmen. Ich wünsche Euch ganz viel Kraft und lasst Euch nicht in irgendetwas rein drängen wofür ihr noch nicht bereit seit. Lg. Christiane und Jasmin..... die jetzt endlich glücklich ist.
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