Ich gebe mal einfach ein paar Fragen wieder, die mir nahezu jeden Tag in der Sprechstunde gestellt werden und die ganz klar nicht von den Schroth-Anhaengern widerlegt werden koennen:
Dazu können wir aber eindeutige Antworten geben!
Ist es moeglich, dass durch Physiotherapie (sprich Schroth bzw. Clear in den USA) die Wirbelsaeule flexibler und somit anfaelliger fuer eine Verschlechterung wird?
Ausschließlich zu Schoth:
Das Grundprinzip der Schroth-Therapie ist zum einen die gleichzeitige Reduktion aller Bögen; eine Mobilisierung findet, wenn, dann auf allen Ebenen gleichzeitig und ausschließlich in die jeweilige Korrekturrichtung statt (Bögen oder Wirbelrotationen werden nie verstärkt). Weit wichtiger als die Mobilisierung in Korrekturrichtung ist bei der Therapie jedoch die Stabilisierung, die zeitlich bei jeder Übung den Hauptanteil ausmacht. Darüberhinaus ist das Ziel, welches während der ganzen Therapie und bei jeder Übung angestrebt wird, eine Krümmungsmuster spezifische Haltungs- und Alltagsschulung, um progredienzfördernde Haltungen und Bewegungen im Alltag zu vermeiden. Die Schroth-Therapie hat also ein besonderes Augenmerk auf die Stabilisation und Progredienzvermeidung. Alle Schroth‘schen Behandlungsansätze zielen hierauf ab, sowohl im Kurz- als auch im Langfristigen, so dass nicht ersichtlich wäre, warum eine physiotherapeutische Maßnahmen, deren erklärtes Ziel es ist, eine Flexibilisierung der WS und hörere Verschlechterungsanfälligkeit zu vermeiden, genau das Gegenteil bewirken sollte.
Diese Frage sollte also einfach zu beantworten sein, wenn man sich mit den Prinzipien der Methode auskennt.
Mir wurde eine OP empfohlen. Was, wenn ich erst ein Jahr Physiotherapie machen moechte - Kann es sein, dass durch die Wartezeit, die Skoliose schwierieger zu operieren ist, da sie z.B. laenger wird oder eine kompensatorische Kurve strukturell wird?
Bei einer Skoliose im erwachsenen Alter deren Progredienz gering ist, dürfte sich diese Frage nicht stellen. Da kommt es auf ein Jahr, was die Operationsfähigkeit der Skoliose betrifft, nicht an.
Was progrediente Skoliosen im Kindes- und Jugendlichenalter betrifft, bei denen eine Operatonsindikation gestellt wurde, liegen diese damit bereits vollkommen außerhalb der alleinigen Therapieindikation von Physiotherapie. Diese benötigen eine Therapie mit einem hochkorrigierendem Korsett (>50% Primärkorrektur) und hier kann dieses zunächst ausprobiert werden. Allgemein ist es jedoch fahrlässig und ärztlich unverantwortbar einem progredienten Patienten, der nicht unmittelbar vor einer Operation steht, nicht dringend zu einer effektiven Korsett-Therapie zu raten, die einer weitere Verschlechterung und Einsteifung von Krümmungen entgegenwirkt, da andernfalls in der Tat die Krümmungen zunehmen können, die Skoliose schwerer zu operieren sein wird und die Operation verlustreicher wird.
Kann mir jemand garantieren, dass man durch Schroth / Korsett um eine OP herum kommt?
Eine 100%ige Garantie gibt es bei nichts im Leben. Basierend auf den individuellen Ausgangsvoraussetzungen und der individuellen Wirksamkeit des eingeschlagenen konservativen Therapieweges lässt sich jedoch eine Voraussage treffen, mit welchem Endergebnis bei entsprechender Compliance zu rechnen ist. Ob das erwartete Ergebnis letztendlich die Voraussetzungen für den Verzicht auf eine Operation mit sich bringt, ist widerum von der Entscheidung des Patienten abhängig, sich operieren zu lassen oder nicht. Bei Skoliose gibt es in den seltensten Fällen eine absolute OP-Indikation. Es ist vielmehr eine persönliche Entscheidung des Patienten, ob diesem der Aufwand und das Risiko einer Operation den angestrebten Nutzen Wert ist.
Ist es fuer die Zukunft besser, lieber nicht versteifte aber dafuer schraege Bandscheiben zu haben, oder lieber nur drei unversteifte (unterhalb einer Fusion), die dafuer aber parallel sind und damit eine bessere Druckverteilung haben?
Bei einer versteifenden Operation einer Skoliose wird lediglich eine Abnormität durch eine andere ersetzt. Es kann sowohl der natürlich entstandene und aufeinander abgestimmte krumme Verlauf der Wirbelsäule die bessere Konstellation darstellen als auch die versteifte Wirbelsäule, ganz abhängig von der Schwere der Krümmung und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen, als auch dem möglichen Ergebnis bzw. den Verlusten durch eine Operation. Eine solche Betrachtung kann nicht auf „schräge“ oder „gerade“ Bandscheiben und einer bestimmten Anzahl freier Wirbel reduziert werden. Nicht zu vergessen ist auch, dass eine große Anzahl Skoliotiker sich selbst bei hochgradigen Krümmungen aber gleichzeitiger Beschwerdefreiheit garnicht erst diagnostizieren lassen, also eine behandlungswürdige Einschränkung überhaupt nicht wahrnehmen, und dies ganz unabhängig von den Worten, mit denen man die Form ihrer Wirbelsäule in einer Diagnose beschreiben würde.
Ich moechte einfach nur, dass mein Kind seine Kindheit unbeschwert erlebt. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich meinem Kind nicht eine mehrwoechige Reha und jahrelanges "Schrothen" aufzwinge?
Ambulante Physiotherapie und eine ggf. elterlich begleitete stationäre Rehabilitation stellen in der Regel keine außergewöhnlichen Belastungen für ein Kind dar, können im Gegenteil sogar als ein Urlaub oder willkommene Abwechslung erlebt werden. Es ist auch zu bezweifeln, dass Eltern, die ihre Kinder derart vor jeglichen Belastungen bewahren wollen, ihnen damit für ihr weiteres Leben etwas Gutes tun.
Mein Kind wird in der Schule wegen seines Korsetts sehr gemobbt und die schulischen Leistungen leiden drunter. Wenn mir das Korsett aber garantiert, um eine OP herumzukommen, dann nehmen wir das in Kauf. Kann mir das Korsett das garantieren?
Es wäre zunächst einmal zu schauen, wieso es in der Schule zu solchen Problemen kommt. Ein gutes Korsett sollte so gut kaschierbar sein und durch Unterstützung der Eltern auch kaschiert werden, dass es bei den Mitschülern nicht auffällt. Sollte eine derartige Mobbing Situation jedoch bereits entstanden sein, dann sollten hier auch die Lehrer eingeschaltet werden. Je nach Korsettqualität, Korrigierbarkeit und Compliance kann bei einer idiopathischen Skoliose in der Tat garantiert werden, dass eine Operation nicht nötig werden wird. Stehen hier jedoch das Erreichen eines Schulabschlusses entgegen, sollte abgewogen werden, ob eine Operation nicht doch die bessere Lösung ist. Ein kritischer Aspekt wäre hier jedoch auch, dass ein Korsett per se keinen Grund für Mobbing darstellt, sondern dies meist mit der Persönlichkeit des Kindes, dem Selbstbewusstsein, zusammenhängt, und damit die Operation möglicherweise dieses Problem nicht beheben wird.
Zu Herrn Professor Harms Leserbrief, den ich nur Zitatweise hier gelesen habe,
Erwiesenermaßen ist die Korsett-Thapie Schwachsinn, kostet Geld und bringt nichts. Ich weiß nicht, wer Ihnen jetzt als Berater zur Seite steht und Sie veranlasst hat, die Korsett-Therapie als eine sinnvolle Therapie zu bezeichnen. Weiterhin bieten Sie in Ihrer Zeitschrift "Lichtblick" auch erneut eine "Skoliose-Woche" in Bad Sobernheim an. Diese Information ist aus meiner Sicht unverantwortlich, da erwiesenermaßen die Korsettbehandlung keinerlei positiven Effekt auf die Entwicklung einer Skoliose hat.
wäre noch zu sagen, dass genau dies ein Grund dafür ist, warum sich Ärzte aus der Patientenselbsthilfe – worum es beim Bundesverband, und in diesem Fall Herrn Gellner als Patient, ja geht - doch eher zurückhalten sollten.
Welche Therapien Patienten wählen und welche Erfahrungen und Ratschläge sie im Rahmen der Selbsthilfe austauschen, ist und bleibt die Sache der Patienten selbst und benötigt keiner Zustimmung eines Arztes oder der Untermauerung durch wissenschaftliche Studien eines gewissen Standards, welcher willkürlich von Ärzten so festgelegt wurde.
Was die angebliche Einseitigkeit dieses Forums betrifft (die sich, diese Fragestellung betreffend, im Übrigen auch im benachbarten Skoliose-OP-Forum so wiederfindet), handelt es sich eben um die Einstellungen der Patienten – es ist ein Selbsthilfeforum!
Ich finde es das allerletzte, wenn Ärzte anfangen die Patientenselbsthilfe zu torpedieren indem sie Patienten voreinander warnen oder ihnen vorschreiben wollen, auf einen ärztlichen Berater zurückzugreifen, um sich als Patient und medizinischee Laie im Rahmen der Patientenselbsthilfe zu äußern. Das geht entschieden zuweit!