Langzeiterfahrungen nach OP gesucht

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mehe
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Langzeiterfahrungen nach OP gesucht

Beitrag von mehe »

Hallo zusammen,

die Skoliose OP meiner Tochter (12) ist für Juni in der Schön Klinik in Neustadt geplant. Wir fühlen uns dort sehr gut beraten und betreut und nehmen daher gerne die 6 Stunden Anfahrt auf uns. Um Fragen vorzubeugen, hier direkt die Diagnose: ideopathische adoleszente rechtskonvexe Skoliose TH5-L1 von 69°mit hochthorakaler Nebenkrümmung TH1-TH5 von 38° und lumbaler Nebenkrümmung L1-L5 von 28°. (Rippenbuckel rechts 17°) Es ist eine Progredienz von 1°pro Jahr anzunehmen.
Da die Wahrscheinlichkeit der selbständigen Aufrichtung der Nebenkrümmungen nach Versteifung der Hauptkrümmung sehr hoch ist (nach Erfahrungen und Traktions und Bewegungs Röbis) wird die dorsale Korrekturspondylodese "nur" von TH5-L1 gemacht.

Was mich nun interessiert sind tatsächlich Erfahrungsberichte von bereits ähnlich opperierten Patienten für die Zeit nach der OP. Ein paar Fragen, die mir durch den Kopf gehen sind folgende:

Wie lange nach der Entlassung aus dem KH braucht man noch Schmerzmittel, wie lange wird man krank geschrieben?
Wie lange dauert es bis sie wieder normal zur Schule gehen kann? (hauptsächlich in Bezug auf Sitzen, Ranzen tragen, etc)
Wie stark ist die Beeinträchtigung durch die Bewegungseinschränkung im Alltag?
Kann man nach der Schonphase (1 Jahr) wirklich wieder normale sportliche Aktivitäten machen? Wie z.B. Reiten?
Inwieweit wird meine Tochter bei der Berufswahl eingeschränkt sein?
Kann es bei späterer Schwangerschaft/Geburt Beeinträchtigungen geben?
Welche Erfahrungen habt ihr mit Folgeproblemen, wie Verschleiß anderer Gelenke, Bandscheiben, etc.?

Danke schonmal im vorraus für eure Berichte.

Viele Grüße,
Claudi
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Raven
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Diagnose: vor OP: thoralumbale juvenile /adoleszente Skoliose, ca. 55°
Therapie: OP: 1997 mit 13 Jahren Versteifung Th3 - L5 / Hessing-Klinik Augsburg; kaum Restgrade

Re: Langzeiterfahrungen nach OP gesucht

Beitrag von Raven »

Hallo Claudi,

sicherheitshalber frage ich zunächst einmal nach: Was ist an konservativen Therapien versucht worden (Korsett? wenn ja, welches mit welchem Erfolg?)?
Gerade für ihr Alter sind die Gradzahlen sehr hoch, deshalb gestaltet sich die Situation ganz anders je nachdem was schon versucht wurde.

Selbst kann ich als deutliche Langzeiterfahrung (OP war 1997) nach etwas langstreckigerer Versteifung (Th3 - L5, im Alter von 13 Jahre) zu den Bewegungseinschränkungen, die bei einer kürzeren Versteifung insbesondere in der LWS aber geringer ausfallen, berichten:
Manches ist eben schon beschwerlicher, v.a. alles, das explizit hohe Beweglichkeit voraussetzt oder mit niedrigem Sitzen, Hocke etc. zu tun hat. Beispiel: etwas unter einem Tisch hervorholen, auf die Rückbank eines Autos mit Türen nur vorne einsteigen, auf einem unpassenden Stuhl (zu niedrig) sitzen. Grundsätzlich wirkt man aber nicht besonders "steif" (oft reagieren Leute verwundert, wenn ich etwas von "Wirbelsäulenproblemen" sage: sie vermuten bei mir keine).

Wie gesagt, meine OP ist schon lange her; seitdem hat sich bzgl. der OP-Techniken einiges geändert. Deshalb berichte ich nun eher von dem, was ich von aktuellen Patienten weiß, nebst ggf. allgemeinen Anmerkungen:

Wie lange man noch Schmerzmittel benötigt, ist individuell sehr unterschiedlich. Das kann von Tagen (sogar: Entlassung ohne Schmerzmittel) bis Monaten dauern.
Bzgl. der Frage nach dem Schulbesuch würde ich auch unbeding berücksichtigen, wie der Transport zur Schule klappt. In der Schule selbst lässt sich vieles arrangieren: z.B. eine Schreibmöglichkeit im Stehen (Stehpult), wenig im Ranzen tragen müssen (zwei Sätze an Schulbüchern erhalten, einer bleibt in der Schule, einer bleibt zu Hause). Der Transport kann aber ggf. heikel sein. Schulbus ohne sicheren Sitzplatz ist anfangs tabu (auch Situation bzgl. "Ärgern im Bus"). Bei längerer Unmöglichkeit des Schulbesuchs kann Hausunterricht genehmigt werden, d.h. selberlernen nebst Lehrerbesuch (jetzt wohl eher: von zu Hause aus übers Internet lernen wie in den letzten Monaten...).
Zu Bewegungseinschränkungen im Alltag: siehe oben. Teils bemerke ich es schon (bei längerer Versteifungsstrecke), kann aber "alltagsüblichen" Anforderungen nachkommen: Haushalt, Bürojob, leichte sportliche Aktivitäten, Ausflüge machen, Verreisen, Auto fahren... Manches mache ich nunmal etwas anders (z.B.: kann nicht so schwer tragen), aber grundsätzlich bekomme ich alle üblichen Dinge auf die Reihe.
Zu den sportlichen Aktivitäten wird meist gesagt, dass man nach einem Jahr wieder alles ausprobieren kann. Mitunter wird man aber feststellen, dass bestimmt Sportarten anstrengender sind oder nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden können. Ich merke z.B., dass ich bei sportlichen Aktivitäten die eine Drehung des Oberkörpers erfordern (würden) deutlich schlechter bin - klar, die Drehung geht nicht mehr. Alles mit Erschütterungen ist für mich ganz schlecht, und durch die lange Versteifungsstrecke bin ich nicht mehr so flexibel, habe keine so gute Balance mehr und kann nicht mehr so spontan reagieren (eine normal bewegliche Wirbelsäule macht andauernd Ausgleichsbewegungen, das geht im versteiften Bereich nicht mehr).
Eine Einschränkung in der Berufswahl (ebenso wie bei Freizeitbeschäftigungen) kann es geben, wenn es um schweres Heben, explizit Beweglichkeit, oder auch sogenannte "Zwangshaltungen" (Körperhaltungen, bei denen man nicht abwechseln kann - denke da z.B. an das Sitzen an der Kasse, oder Stehen am Fließband) geht. Pflegeberufe sind z.B. meist nicht gut geeignet. Ich arbeite in einem technischen Büroberuf.
Schwangerschaft und Geburt ist möglich, oft auch eine natürliche Geburt (d.h. ohne Kaiserschnitt). Je nach Versteifungsstrecke/-art kann evl. keine PDA gelegt werden.
Selbst habe ich keine Folgeprobleme, achte allerdings sehr (!) auf Ergonomie im Alltag, gebe meine Einschränkungen ehrlich zu (und mache nicht z.B. um bei Freunden nicht aufzufallen "coole" Dinge mit die mir zu heikel sind) und Beruf und Hobbies sind gut mit den Einschränkungen zu vereinbaren. Ziemlich häufig kommen bei Versteifungspatienten jedoch Verschleißerscheinungen unterhalb der Versteifung, d.h. in der restlichen LWS, vor.

Wie gesagt: Soweit zu einigen Punkten rund um die OP. Ob eine konservative Therapie als Alternative noch sinnvoll ist, würde ich durchaus noch bedenken - das läuft wieder auf die Frage hinaus, welche Therapien mit welchem Erfolg versucht wurden.

Viele Grüße
Raven
Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen.
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mehe
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Re: Langzeiterfahrungen nach OP gesucht

Beitrag von mehe »

Hallo Raven,

vielen Dank für deinen Beitrag. Wir machen an konservativer Therapie Physio nach Schroth 2 mal pro Woche.
Da wir die Skoliose quasi über Nacht erst vor 6 Monaten entdeckt hatten (vorher fiel nie etwas auf auch bei den Untersuchungen beim KiA nicht) waren wir natürlich schokiert über den großen Winkel. Da meine Tochter seit Jahren reitet und dort immer auf eine korrekt Haltung achten muss, konnte sie anscheinend bis zum hormonellen Wachstumsschub alles soweit ausgleichen, dass man nichts sehen konnte. Wir waren dann bei zwei verschiedenen Orthopäden, die gefühlt mit der heftigen Krümmung und vor allem dem Rippenbuckel überfordert waren. Daher wurden wir dann an die Skoliosesprechstunde in FFM Friedrichsheim überwiesen. Dort erfolgte dann bereits die Empfehlung über eine OP nachzudenken, da wir mit Korsett Therapie maximal die Verschlechterung aufhalten könnten, wenn die Tragezeiten strikt eingehalten werden. Eine Verbesserung ist auf keinen Fall zu erwarten und in den meisten Fällen die er kennt kommt man nach der Korsett Zeit um eine OP nicht drumrum. Vor allem weil der Brustkorb eben schon so weit verdreht ist und die Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Nach ausführlicher Recherche wollte ich dann eine Zweitmeinung beim Spezialisten einholen und bin so bei der Schön Klinik in Neustadt gelandet. Hier wurden wir noch ausführlicher beraten und haben dann gemeinsam (auch stark getrieben von meiner Tochter) entschieden die OP zu machen und nicht erst ein paar Jahre Korsett zu veruchen mit der Hoffnung dass es besser wird um am Ende dann doch operiert zu werden. Ich muss dazu sagen, dass meine Tochter tatsächlich schon sehr schnell kurzatmig wird und sie das extrem einschränkt. Schmerzen hat sich nicht dauerhaft, aber nach einem halben Tag auf dem Reiterhof tut ihr der Rücken schon stark weh.

Ich lese hier im Forum immer wieder, dass man doch erst Korsett versuchen sollte, aber ganz ehrlich, das wäre für meine Tochter eine schlimmere Qual ohne Aussicht auf wirklichen Erfolg, es ist schon schwierig sie dazu zubekommen die Physio Übungen täglich zu Hause zu machen.

Viele Grüße
Claudi
Malve
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Diagnose: kongenitale Skoliose Block- und Keilwirbel BWS
1.OP 1972 Versteifung BWS mit Harringtondistraktionstab,
1980 Entfernung des Stabes.
vor OP BWS 105°,nach OP BWS 90°, LWS 30°
Therapie: keine, austherapiert

Re: Langzeiterfahrungen nach OP gesucht

Beitrag von Malve »

Hallo Mehe,

habt ihr mal einen Lungenfunktionstest machen lassen? Damit kann man klären,ob die Beschwerden bei der Atmung nur von der Skoliose kommen oder ob es noch andere Probleme gibt. Haben euch die Ärzte gesagt, wie sich die OP auf das Lungenvolumen auswirkt?
Wieweit ein Korsett helfen kann, kann euch nur ein guter Arzt mit viel Erfahrung in dem Bereich sagen. Hier spielt auch der Scheitel der Krümmung eine Rolle, desto höher der liegt, desto schwieriger.
Meine OP ist fast 50 Jahre her, ich war grade 12 Jahre alt. Die Möglichkeiten waren damals noch sehr begrenzt. Ich hab heute beides, eine starke Krümmung und Versteifung und eingeschränktes Lungenvolumen.
Für mich ist klar, eine starke Krümmung führt zu Bewegungseinschränkungen, eine Versteifung führt zu Bewegungseinschränkungen. Eine Heilung gibt es nicht.
Jeder erlebt Einschränkungen anders, geht anders damit um, vergleichen ist daher schwierig. Heute ist aber sehr vieles nach der OP möglich.
Es gibt keinen einfachen Weg. Wichtig ist es daher, dass ihr und vor allem eure Tochter mit dem eingeschlagenen Weg gut leben kann. Sie wird sich ihr Leben lang um ihren Rücken kümmern müssen. Jeder Weg bringt Einschränkungen. Auch Verschleiß und andere Probleme gibt es bei Operierten und Nichtoperierten.
Ich bin heute sehr dankbar für meine OP trotz aller Komplikationen. Bei mir war es dringend notwendig, um einer weitere Verschlechterung zu stoppen.

Gruß
Elisabeth
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