Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 2011

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SchwarzeSchnecke
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Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 2011

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Hallo,

Ich habe beim Forumstreffen mitgeschrieben und auf der Grundlage des Protokolls einen Bericht angefertigt. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Wer hier etwas ergänzen möchte, kann das gerne tun. Zum Zwecke der Diskussion schlage ich jedoch vor, die bereits bestehenden Diskussionsthreads zu benutzen oder neue zu eröffnen.

VG, Anne


_______________


Forumstreffen in Bad Salzungen am 5. November 2011


Bericht


Begrüßung


Als erster sprach der Geschäftsführer der Kliniken in Bad Salzungen, Herr Merbitz, der Eckdaten zu den Kliniken in Bad Salzungen nannte und sloopys Engagement würdigte. Anschließend erläuterte sie selbst ihre Beweggründe für das Eröffnen des Forums und skizzierte dessen Entwicklung:
Als Fachinformatikerin wollte sie gerne ausprobieren, wie so ein Forum funktionierte. Wegen ihrer zu dieser Zeit bestehenden Rückenschmerzen aufgrund ihrer Skoliose wählte sie diese als Thema. Sie rechnete nicht mit großer Resonanz. Nach einem Jahr hatte das Forum 76 angemeldete Benutzer - dies zu einer Zeit, in der noch wesentlich weniger Menschen einen Internetanschluß hatten als es jetzt der Fall ist, und in der DSL noch längst nicht Standard war. Inzwischen ist die Zahl der Mitglieder auf 4930 angewachsen. Pro Tag werden durchschnittlich 37 Beiträge geschrieben und 4 Themen eröffnet.
Sloopy stellte dann das Programm vor und bedankte sich dafür, dass alle Referenten ihre Vorträge unentgeltlich hielten.
Im Anschluß spielte Forumgsmitglied Faye, die ihre Geige mitgebracht hatte, das Stück "Ave Maria" vor.


Aktuelle Trends in der Skoliosechirurgie

Präsentation von Dr. Trobisch mit anschließender Fragerunde


Dr. Trobisch begann mit einem Abriß über die Geschichte der Skoliose-Operationen:
Erste Versuche, die Progredienz einer Skoliose durch das Einbringen von Nägeln aufzuhalten, wurden bereits in den 1950er Jahren unternommen und waren nicht erfolgreich. 1962 erfand dann Paul Harrington den nach ihm benannten Stab. Für die damalige Zeit war das eine große Innovation, denn damit konnte erstmals eine gewisse Korrektur erreicht werden. Nun fehlte noch eine Klassifikation, nach der sich die Operateure richten konnten. Eine solche wurde in den 80er Jahren publiziert. Es handelt sich um die auch heute noch populäre King-Klassifikation.
In den 90er Jahren etablierten sich neue Operationsverfahren: Etwa zeitgleich wurden das Verfahren nach Cotrel-Dubousset mit formbarem Stab und Haken an den Wirbeln sowie die ventrale Derotationsspondylodese nach Zielke, mit Schrauben und zunächst einem Stab, erstmals angewandt. (Später kamen zwei Stäbe zum Einsatz.) Dies ist als Durchbruch anzusehen, da Zielke großen Wert auf eine axiale Korrektur sowie Korrektur der Rotation legte, was bei dem OP-Verfahren nach Harrington noch nicht beachtet worden war. Später kam dann auch eine neue Klassifikation heraus (nach Lenke, Randal, Betz und Harms), die die Klassifikationen weltweit dominiert, inzwischen jedoch schon wieder etwas veraltet ist.
Die Pedikelschrauben, die bei heutigen Operationen zum Einsatz kommen, erlauben höhere Korrekturen. Skoliose-Operationen dauern (wegen immer neuer Schritte, um eine noch bessere Korrektur zu erzielen) tendentiell immer länger, nämlich durchschnittlich 5-6 Stunden, während früher 2 Stunden durchaus normal waren. (Die Dauer der Operation ist jedoch auch stark vom jeweiligen Operateur abhängig.) Dabei gibt es ganz verschiedene Trends, von denen einer die minimalinvasive OP ist:
"Minimalinvasiv" bedeutet, daß weniger geschnitten werden muß. Es wird ein Hautschnitt gemacht, die Muskeln werden nicht zur Seite geschoben (da zwischen den Muskellogen durch operiert wird), d.h. es findet kein "Muskelstripping" statt. Weitere Vorteile sind ein geringerer Blutverlust und mutmaßlich weniger Schmerzen. Nachteile sind eine schlechtere Übersicht und eine hohe Strahlenbelastung, vor allem für den Operateur, da ständig Röntgenaufnahmen gemacht werden müssen. Ob die Verknöcherung bei einer solchen OP ausreichend ist, ist noch nicht bekannt. Langzeitergebnisse sind noch nicht vorhanden, das OP-Verfahren ist noch nicht etabliert. Durch Knochenmarksaspiration lassen sich bessere Ergebnisse erzielen. Dabei werden Stammzellen aus den Knochen entnommen, mit künstlicher Knochensubstanz vermischt und eingebracht. Dr. Trobisch gab zu verstehen, daß er nur selten die Indikation für eine minimalinvasive OP sieht. Er stellte das Beispiel eines 12-jährigen Mädchens vor, daß vor der OP 80 ° hatte, von Th2 bis L2 versteift wurde und bereits nach 4 Tagen wieder zu Hause war.
Als nächstes ging er auf die beweglichkeitserhaltende OP ein. Die Gedankengrundlage dafür ist das Hueter-Volkmann-Gesetz, nach dem die konkave Seite [schwache Seite] langsamer und die konvexe Seite [Paketseite] schneller wächst. In den 50er Jahren versuchte man erfolglos mit auf der konvexen Seite eingebrachten Klammern (Stapling) der Verschlechterung einer Verkrümmung entgegenzuwirken. Häufig kam es vor, daß sich die Klammern lösten. Dann wurden lange Zeit keine neuen Versuche gemacht. Seit ungefähr 10 Jahren gibt es nun eine neue Klammermethode. Dabei macht man sich die besondere Eigenschaft einer bestimmten Nickel-Titan-Legierung (NITINOL) zunutze, sich in Form einer Klammer bei Erwärmung (d.h. im menschlichen Körper) zusammenzubiegen. Das Einbringen dieser Klammern erfolgt minimalinvasiv, die Kontrolle erfolgt mithilfe einer eingebrachten Kamera. Die Narben sind später häufig gar nicht mehr sichtbar, die Klammern können an der Wirbelsäule belassen werden. Es hat sich gezeigt, daß zwei Klammern nebeneinander besser sind als eine, weil so auch die Rotation mitkorrigiert werden kann. Als Weiterentwicklung gibt es inzwischen eine Klammer mit 4 Zinken. Dieses OP-Verfahren ist noch nicht etabliert und nur bei Patienten möglich, deren Skoliose flexibel ist. Die Patienten werden während der OP gelagert. Dr. Trobisch zeigte das Beispiel eines 8-jährigen Mädchens mit einer 40 °-Krümmung, dem der Wachstumsschub noch bevorstand und deren Eltern sich vehement gegen eine Korsettherapie ausgesprochen hatten. Die Krümmung wurde fast begradigt. Die Beweglichkeit ist dabei wesentlich größer als im Korsett. Allerdings lassen sich thorakal keine so guten Ergebnisse erzielen wie lumbal: Bei lumbalen Krümmungen ist noch bei bis zu 50 ° eine Begradigung möglich, bei thorakalen Krümmungen nur bei bis zu 35 °.
Für bessere thorakale Korrekturen bietet sich das Tethering (bislang noch ein Experiment) an. Dabei wird eine Art "Seil" mit Schrauben an den Wirbelkörpern befestigt, das später jederzeit mittels einer minimalinvasiven OP durchgeschnitten werden kann. Hierzu wurde das Beispiel eines autistischen 10-jährigen Mädchens genannt, das kein Korsett tolerierte, nicht im Lot stand und bei thorakal 43 ° sowie lumbal 36 ° den Wachstumsschub noch vor sich hatte. Ihre Gradzahlen konnten durch eine Kombination aus Klammern und Tethering stark reduziert werden. Auch hier liegen noch keine Langzeitergebnisse und bisher erst wenige Fälle vor. Dr. Trobisch kann sich vorstellen, daß man in 10 Jahren möglicherweise in manchen Fällen gar keine Instrumente mehr benötigen wird, sondern eine körpereigene Sehne verwenden kann.
Abschließend gab er noch einen Ausblick über die Zukunft verschiedener Therapieverfahren:
Beim Motion Preserving liegen noch keine guten Ergebnisse vor, minimalinvasive Operationen sind eher rückläufig. Dafür werden Diagnoseverfahren wie der Scoliscore-Bluttest an Bedeutung gewinnen. Dabei werden 57 Gene untersucht, die an der Entstehung einer Skoliose beteiligt sind. Das Ergebnis erlaubt Aussagen über die Progredienz.
Zur KG nach Schroth finden in der Wissenschaft keine Studien mehr statt, insgesamt gibt es zu wenig Publikationen. Entscheidend ist hier die Verbreitung über das Internet, u.a. mithilfe dieses Forums.
Was die Korrekturen bei den Operationen angeht, so gewinnt zunehmend das sagittale Profil an Bedeutung: Schmerzen und Muskelverspannungen kommen nicht allein durch hohe Krümmungen zustande, sondern treten vor allem dann auf, wenn man nicht im Lot steht. Der Kopf muß zwar über dem Becken stehen, aber die Wirbelsäule geht nicht nur bis zum Kreuzbein, sondern die Beckenrotation spielt eine entscheidende Rolle, die mit einkalkuliert werden muß.

Im Anschluß an die Präsentation wurde noch folgende Fragen gestellt und von Dr. Trobisch beantwortet:
1. Ob bei dem Klammerverfahren die Klammer im Körper verbleibt? - Ja, außer bei Überkorrektur. Die entsprechende OP dauert ca. 1 Stunde, und man ist dann (in den USA) für 1-2 Tage im Krankenhaus.
2. Ob es zu einer Lockerung der Klammern kommen kann? - Nur in den ersten Tagen, später nicht mehr.
3. Ob eher offen oder minimalinvasiv operiert wird? - Lumbal noch eher offen. Bei der minimalinvasiven OP wird nur ein kleiner Hautschnitt gemacht und dieser durch einen Spreizer vergrößert, sodaß das Operationsfeld trotzdem groß genug ist.
4. Dr. Steffan zeigte sich entsetzt über die 8-jährige, die mit 40 ° operiert wurde, und wollte wissen, ob die Wirbelkörper noch mitwachsen. - Ja, auf der nicht geklammerten Seite (im Gegensatz zur Versteifung, wo sie nicht mehr mitwachsen). Ob es zu einer Einengung der Foramina kommt? - Nein, denn die Klammern werden ventral eingebracht, während die Foramina dorsal lokalisiert sind.
5. Ob das Klammerverfahren in Deutschland bereits durchgeführt wird? - Nein, noch nicht. Es bietet sich deshalb an, weil die Compliance mit einem Korsett häufig nicht gegeben ist, vor allem bei pubertierenden Mädchen und vor allem in waremen Regionen wie Kalifornien.
6. Ob es einen Unterschied zwischen einer Skoliose-OP und einer Kyphose-OP gibt? - Die Kyphose-OP ist einfacher durchzuführen, aber bei Krümmungen ab 100 ° leicht riskanter.
7. Wie viele Schmerzpatienten nach der OP ihre Schmerzen loswerden? - Das kommt auf die Indikation an, z.B. tritt bei vorherigem Flatback/ Lotüberhang, der dann korrigiert wird, häufiger eine Besserung ein. Nach zwei Jahren steht der Großteil der wegen Schmerzen Operierten besser da als Nichtoperierte mit derselben Problematik. Leider achten ca. 90% der deutschen Wirbelsäulenchirurgen noch nicht auf das sagittale Profil, sondern wollen nur die Gradzahlen möglichst stark reduzieren.


Erfahrungsbericht von Dolphingirl94: Korsettherapie in der Jugend

Als Einleitung für ihren Bericht verwendete Dolphingirl ihren ersten Forumsbeitrag von 2006, in dem sie sich fragte, wie man mit einem Korsett leben kann und der eine große Unsicherheit und auch Verzweiflung erkennen läßt.
Nachdem ihre Skoliose bei einer Routineuntersuchung aufgefallen war, war sie an einen Orthopäden verwiesen sorden, der seine eigene mangelnde Kompetenz zugab und die Weiterbehandlung durch die Uniklinik Düsseldorf empfahl. Ihre Krümmungswerte waren 37 ° thorakal und 24 ° lumbal. Sie wurde vor die Entscheidung zwischen OP oder Korsett gestellt, die zugunsten eines Korsetts fiel. Dieses wurde von der Firma Koppetsch hergestellt und sollte 23 Stunden pro Tag getragen werden. Um Mobbing in der Schule vorzubeugen, hielt sie einen Vortrag vor ihrer Klasse. Dabei konnte sie großes Interesse seitens ihrer Klassenkameraden vorstellen und ist froh darüber, in einer sehr tollen Klasse gewesen zu sein. Gemobbt wurde sie nie.
Sie fing mit KG nach Schroth an und konnte die Korsettragezeit schnell steigern, war nach 3 Wochen schon bei 23 Stunden pro Tag (im Alter von 11 Jahren). Probleme gab es hauptsächlich mit der Kleidung, die das Korsett auf jeden Fall verdecken sollte. Sie mußte alles neu kaufen, das Einkaufen jedoch wurde zur Tortur und zog große Frustration nach sich.
Beim ersten Kontrollröntgen hatte sie 24 ° thorakal und 10 ° lumbal. Hinweise aus dem Forum auf bessere Korsettbauer nahm sie nicht ernst. Im zweiten Korsett von 2008 hatte sie 16 ° und 12 °, danach kam es wieder zu einer Zunahme der Verkrümmung. Dennoch wurde ihr versichert, bald abschulen zu können. Da war sie an einem Punkt angelangt, an dem sie nicht mehr wollte, sondern einfach nur noch den Wunsch hatte normal zu sein.
Ihre Eltern standen der Uniklinik nun kritisch gegenüber, und man entschied sich für eine Weiterbehandlung in Bad Sobernheim. Dort wurde festgestellt, daß die Wachstumsfugen schon geschlossen waren. Ihre Korsettragezeit wurde durch den Nachfolger von Dr. Weiß auf 16 Stunden pro Tag reduziert. Sie freute sich über ihre neue Freiheit. Ca. 6 Monate später erfolgte die Weiterbehandlung durch Dr. Steffan und mit einem Korsett der Firma Sanomed, in welchem sie 16 ° und 16 ° hatte. Nach drei Tagen ohne Korsett hatte sie 26 ° und 19 ° und stand im Lot.
Seit diesem Sommer trägt sie nun gar kein Korsett mehr. Daran mußte sie sich erst gewöhnen und war anfangs traurig, weil sie es abends gern angezogen hatte. Langes Sitzen und Stauchungen beim Sport kann sie nicht ertragen, da sie dann Schmerzen bekommt. Beim letzten Kontrolltermin hatte sie 23 ° und 12 °. Sie wird ihr Leben lang KG machen und ist zufrieden damit, rät jetzt selber anderen zu besser korrigierenden Korsetten und sagt zu ihrer eigenen Geschichte: "Mein Weg war nicht gerade, aber wie könnte das auch anders sein bei Skoliose."
Abschließend bedankte sie sich beim Forum für die Unterstützung.

Im Anschluß an den Vortrag gab es noch einige Fragen bzw. Anmerkungen:

1. Schokononne merkte an, daß es sich mit der Kleidung bei ihr genau umgekehrt verhält: Seitdem sie ein Korsett trägt, findet sie leichter etwas, das ihr paßt.
2. Dolphingirl wurde gefragt, ob sie eine Schroth-Reha gemacht hatte. Darauf antwortete sie, daß sie nur ambulante KG machen konnte, da sich ihre private Krankenkasse auch nach Widerspruch noch weigerte, die Kosten für eine solche Reha zu übernehmen.
3. Ob die Idee mit dem Vortrag in der Schule ihre eigene Idee gewesen sei? - Die Idee kam von den Eltern, von ihr selbst und von der Klassenlehrerin. Mit der Zeit eignete sie sich einige Standardatworten an auf Fragen wie: "Wie schläft man damit? Tut das weh?"
4. Toni wollte wissen, ob sie durch das Korsett reifer geworden sei, bezogen auf ihre Persönlichkeit. - Sie weiß es nicht, achtet aber auf jeden Fall mehr auf ihren Körper als die meisten Gleichaltrigen.
5. Klaus fragte, wann sie mit der KG nach Schroth angefangen habe, und ob sie sowohl Schroth als auch ein Korsett für nötig hielte. - Sie antwortete, daß sie mit 11 angefangen hatte und KG nach Schroth nach dem Abschulen auf jeden Fall für nötig hält.


Erfahrungsbericht von Thomas: Korsettherapie im Erwachsenenalter

Thomas stellte sich zunächst kurz vor: Er lebt in Wendlingen, ist Maschinenbauingenieur und inzwischen 55 Jahre alt.
Sein Rundrücken wurde festgestellt, als er 13 Jahre alt war. Zwar wurde ihm ein Gipskorsett angedroht, jedoch wurden keine Maßnahmen ergriffen. Bis zum Jahr 1994 hatte er auch keine Probleme.
Mit 40 kamen dann die ersten Rückenschmerzen. Er ging zum Orthopäden, wurde jedoch nicht geröntgt. Er sollte sich gerader hinstellen und Muskelaufbau machen, bekam KG und Schlingentisch verordnet. Das brachte nichts. 10 Jahre lang probierte er erfolglos weitere Orthopäden aus.
Anfang 2006 stieß er dann aufs Forum und ging zu Dr. Hoffmann, wo er zum ersten Mal ausführlich untersucht wurde. Der Therapievorschlag für seine Hyperkyphose von 57 ° lautete: Korsett von Rahmouni und Schroth-Reha. Letztere lehnte er allerdings aus geschäftlichen Gründen ab. Durch das Korsett wurde seine Kyphose auf 37 ° (im Korsett) reduziert, und vom ersten Tag an konnte er eine massive Schmerzlinderung feststellen.
Er schilderte seine ersten Eindrücke mit dem Korsett: Die störenden Reklinationspelotten hinderten ihn daran, die Tastatur richtig bedienen zu können. Das Korsett schnitt unter den Achseln ein. Er bekam Druckstellen. Bücken und Schuhebinden waren schwierig, das Atmen erschwert, was beispielsweise beim Treppensteigen auffiel. Er fühlte sich behindert und unförmig. Das Korsett zeichnete sich unter der Kleidung ab, im Sommer schwitzte er fürchterlich, und auf niedrigen oder weichen Möbeln konnte er nicht richtig sitzen. Jedoch konnte er sich an diese Dinge zum Großteil gewöhnen. Er steigerte seine Tragezeit kontinuierlich: Vom Abend aufs Wochenende, dann trug er das Korsett im Büro und nach 3 Monaten auch nachts.
2007 wurde er zum Co-Admin (Moderator) im Forum.
Ab Mitte 2009 kamen zu seinen durch die Hyperkyphose bedingten Schmerzen noch massive Schmerzzustände im linken Arm hinzu. Nach langer Suche und vergeblich eingenommenen Schmerzmittel bzw. applizierten Spritzen wurde mittels MRT die Ursache gefunden, nämlich eine Neuroforamenstenose in der HWS. Da er sich an der HWS nicht operieren lassen wollte, ging er auf den Vorschlag eines abnehmbaren Halsteils am Korsett ein, das ihm tatsächlich half bzw. hilft. Er berichtete über seine Erfahrungen damit: Man wird von den wenigsten Leuten angestarrt und von weit weniger Leuten darauf angesprochen als man vorher vermutet. Die Leute fragen erst, wenn man sie etwas näher kennt; die meisten vermuten einen Unfall als Ursache.
Thomas zeigte auch ein Foto von ihm an seinem Arbeitsplatz. Er hat einen erhöhten Tisch sowie einen speziellen Schreibtischstuhl mit nach vorn geneigter Sitzfläche.
Im Frühjahr 2010 trat er dann doch noch eine Schroth-Reha an und berichtet über ein besseres Körpergefühl im Anschluß daran.
Er wurde Tech-Admin im Forum und sieht dies als Ehre an. Gemeinsam mit minimine und sloopy führte er einen Providerwechsel sowie eine Aktualisierung der Forensoftware durch.
Er hat jetzt ein Korsett in der Farbe "Carbon" und trägt dieses auch auf Kreuzfahrten und im Flugzeug, wie er anhand von Fotos belegt. Auch wenn das Korsett gerade nicht getragen wird, sind seine Schmerzen besser als früher.
Für angehende (erwachsene) Korsetträger (oder solche, die sich überlegen, ob sie ein Korsett tragen möchten) hält er folgende Hinweise parat:
- Korsettragen ist Kopfsache;
- Man muß einmalig die Entscheidung dafür oder dagegen treffen;
- Man darf sich nicht jedesmal überlegen, ob man es anzieht oder nicht;
- Man muß sich fürs Durchhalten belohnen;
- Man muß dazu stehen.
In seinen 6 Jahren Zeit mit Korsett hatte er nur einen Durchhänger, und zwar zu Beginn. Da hatte er das Korsett für 3-4 Monate nicht getragen.
Wer sich überlegt, ob oder inwieweit eine Erwachsenen-Korsettherapie für ihn in Frage kommt, sollte sich folgende Fragen stellen:
- Wieviel Stunden täglich möchte ich erreichen?
- Kann ich es bei der Arbeit tragen?
- Kann ich es nachts tragen?
- Würde ich es regelmäßig nach der Arbeit tragen, anstatt bequem auf dem Sofa zu sitzen?
- Würde ich es am Wochenende tragen?
Und er erläuterte, warum es Erwachsene einfacher haben als Teenies:
- Sie haben keinen Druck, sich einer Gruppe anpassen zu müssen;
- Sie sind keinen Hänseleien ausgesetzt;
- Ihr Selbstwertgefühl hängt nicht mehr so stark von Äußerlichkeiten ab.
Allerdings kann der Beruf dem Korsettragen widersprechen, und zwar wenn körperliche Arbeit und Gelenkigkeit gefordert werden oder viel Kundenkontakt dazugehört.

Im Anschluß an den Vortrag kamen einige Fragen und Bemerkungen auf:

1. Eine Teilnehmerin der SHG Unterfranken befürchtete Muskelabbau durch das Korsett. Thomas widersprach: Da er im Korsett ununterbrochen Korrekturbewegungen macht, hat er inzwischen eher mehr Muskeln als zu Beginn der Korsettherapie.
2. Dr. Trobisch wollte das Röntgenbild von vor Beginn der Korsettherapie nochmals sehen und erläuterte den extremen Lotüberhang (mit der Drehung des Beckens nach hinten und den zu weit vorne befindlichen Kopf) als Ursache für die Schmerzen und OP-Indikation. Auf modernen Röntgenbildern sind auch die Hüftköpfe zu sehen. Bei einer OP würde die Lordose vergrößert. Dabei würde es sich um eine sehr komplexe OP handeln. Im Gegensatz dazu sei der Eingriff an der HWS zur Beseitigung der Neuroforamenstenose eine relative Routine-OP mit sehr guter Prognose und einem Krankenhausaufenthalt von 4 Tagen, wobei es eigentlich schon möglich sei, gleich am nächsten Tag nach Hause zu gehen. Darauf erwiderte Thomas, daß er auf sein Halsteil nicht unbedingt scharf ist und sich die Sache mit dem Eingriff an der HWS vielleicht irgendwann noch einmal überlegen wird, sich jedoch keine Operation am Rücken vorstellen kann.
3. Dr. Steffan merkte zu dem Arbeitsplatz an, daß der Bildschirm eigentlich auf Augenhöhe sein sollte.
4. Dr. Steffan fragte in die Runde, inwieweit die KKen bei der Genehmigung eines Erwachsenenkorsetts Probleme machen. - Das ist wohl sehr unterschiedlich, aber in der Mehrzahl der Fälle scheint es keine Probleme zu geben.
5. Der Orthopädietechniker Herr Stauer meinte, daß man auch ein kleineres Korsett hätte bauen können, womit die Probleme mit dem Atmen nicht so ausgeprägt wären. Darauf antwortete Thomas, da er sich inzwischen so an das Korsett gewöhnt hat, daß er kein anderes möchte. Dr. Steffan erwiderte dann auch, daß er dabeibleiben würde, wenn etwas funktioniert, weil man ansonsten Probleme mit der Genehmigung eines neuen Korsetts bekommen könnte, wenn das kleinere Korsett dann doch nicht paßt.
6. Toni merkte an, daß Rahmouni auch kleinere Korsette baut, wenn man sich selber aufrichten kann. So hatte sein zweites Kyphose-Korsett keine Reklis. D.h. man kann kleinere Korsette bauen, wenn es zum Patienten paßt.

_______________

Fortsetzung folgt!
minimine
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von minimine »

Hallo Anne,

vielen Dank für deine Mühe. Jetzt verstehe ich auch, warum dir zwischendrin das Papier ausgegangen ist. :)

Freue mich schon auf die Fortsetzung. :ja:

LG
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Klaus
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Klaus »

minimine hat geschrieben:Freue mich schon auf die Fortsetzung. :ja:
Ich auch und bitte alle wegen der Übersichtlichkeit mit Anmerkungen bzw. "Diskussionen" dazu solange zu warten.

Gruss
Klaus
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Dalia »

Boah, super, da hast du echt fleißig mitgeschrieben. Danke für den neutral gehaltenen, interessanten Bericht. :zustimm: Du musst nur damit rechnen, dass einige ReferentInnen einige Dinge anders dargestellt haben möchten. Aber das kannst du ja dann gern überarbeiten. Edit: Meine Anmerkung hat sich nach einer PN von SchwarzeSchnecke erledigt. :)
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Ricky »

Vielen herzlichen Dank für Deine Mühe.
Gerade weil ich nicht dabei sein konnte, finde ich es sehr spannend und interessant, Deinen Bericht zu lesen :-)

LG
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von marieschen »

Danke für den tollen Bericht :)

Grüße
Marieschen
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Raven »

Ricky hat geschrieben:Vielen herzlichen Dank für Deine Mühe.
Gerade weil ich nicht dabei sein konnte, finde ich es sehr spannend und interessant, Deinen Bericht zu lesen :-)
.... dem schließe ich mich an: Ein großes Dankeschön, Anne :top:

Viele Grüße,
Raven
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Riven »

Danke für Deinen Bericht !

Wirklich blöd, dass ich erst vor 2 Wochen auf Euer Forum gestoßen bin.
Sonst hätte ich die ca. 100 km nach Bad Salzungen direkt in Kauf genommen.
Vielleicht beim nächsten Mal. ;D
Riven
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Riven »

[quote="SchwarzeSchnecke"]

6. Ob es einen Unterschied zwischen einer Skoliose-OP und einer Kyphose-OP gibt? - Die Kyphose-OP ist einfacher durchzuführen, aber bei Krümmungen ab 100 ° leicht riskanter.


Bezog sich diese Frage auf die weiter oben beschriebene Klammermethode oder auf die allgemeinen Operationsverfahren?
medizinfrau
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von medizinfrau »

Das ist wirklich eine tolle Zusammenfassung des Treffens, danke dafür! Gibt es eigentlich noch andere "Skoliose-Treffen" in Deutschland? Ich hab mich damit bisher nicht so beschäftigt, hatte keine Zeit, aber die Idee finde ich super! Es würde mir glaube ich sehr helfen, auch mal persönlich mit Betroffenen zu sprechen. Ich bin fast etwas menschenscheu, seitdem ich die Krankheit habe - kommt mir so vor als ob ich nur gesunde Menschen um mich habe. Hab mich mittlerweile sogar schon online auf Partnersuche begeben, da ist man nicht gleich immer die Kranke.
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Agrimon »

Hallo SchwarzeSchnecke,

schreibst du irgendwann mal an der Fortsetzung weiter, wenn du Zeit hast? Das war ja noch nicht alles, das geht ja noch weiter, oder? Ich freu mich schon auf die Fortstetzung des Berichtes und wieder auf ein nächstes Treffen im nächsten Jahr vielleicht.

Gruß Agrimon
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Meine Skoliose-Geschichte: Meine Skoliose
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Riven hat geschrieben:
SchwarzeSchnecke hat geschrieben:6. Ob es einen Unterschied zwischen einer Skoliose-OP und einer Kyphose-OP gibt? - Die Kyphose-OP ist einfacher durchzuführen, aber bei Krümmungen ab 100 ° leicht riskanter.
Bezog sich diese Frage auf die weiter oben beschriebene Klammermethode oder auf die allgemeinen Operationsverfahren?
Auf die gegenwärtig üblichen Versteifungs-Operationen, also nicht auf die Klammermethode.

Agrimon hat geschrieben:schreibst du irgendwann mal an der Fortsetzung weiter, wenn du Zeit hast?
Zeit habe ich schon. Ich weiß aber noch nicht recht, was ich machen soll, wenn ich einen Referenten des ihn betreffenden Teilberichts nicht erreichen kann bzw. auf die an ihn geschickte PN keine Antwort erhalte. Werde das in den nächsten Tagen klären. (Die bereits erschienenen Teilberichte wurden nämlich alle von den jeweiligen Referenten zur Korrektur gelesen. Dr. Herchet hat mir ebenfalls geantwortet. Ich möchte die noch fehlenden Berichte aber gerne in einen einzigen Beitrag packen. Deshalb habe ich seither gewartet.)


VG, Anne
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Agrimon »

Hallo SchwarzeSchnecke,

das freut mich, dass dein Bericht weiter geht. Na klar willst du alle Berichte zusammen fassen. Bruchstückweise ist das irgendwie blöd auch zu schreiben. Mit meinem Korsett geht es immer noch nicht weiter. Das letzte Attest liegt noch bei der Widerspruchstelle meiner KK und liegt, und liegt, und liegt, keine Ahnung, wann das liegen aufhört und ich noch Bescheid bekomme. Aber ich werde euch auch noch weiter Berichten, wann es bei mir los geht und ob überhaupt sich noch was entscheidet.

Gruß Agrimon
bin eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und noch Interesse für andere Dinge hat

Meine Skoliose-Geschichte: Meine Skoliose
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SchwarzeSchnecke
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Mit einiger Verzögerung (aufgrund von Überstunden, gesundheitlicher Probleme, temporärer Unlust und Unerreichbarkeit eines Teils der Referenten) nun der zweite Teil.

Anders als beim ersten Teil habe ich nicht alle Referenten erreichen können und in diesen Fällen Admins und andere bei dem Treffen anwesende Forumsmitglieder um Durchsicht und Korrektur gebeten. Diesen Personen möchte ich hiermit herzlich danken.


_______________


Präsentation von Dr. Herchet: "Ist Bürostuhl gleich Bürostuhl?"

Dr. Herchet begann ihren Vortrag mit einer Erklärung, was unter Ergonomie am Arbeitsplatz zu verstehen ist:
1. Die oberste Bildschirmzeile sollte leicht unterhalb der waagerechten Sehachse liegen.
2. Tatstatur und Maus befinden sich in einer Ebene mit Ellenbogen und Handflächen.
3. Der Unterarm ist im rechten Winkel zum Oberarm. Gleiches gilt für Ober- und Unterschenkel.
4. Der Bildschirm sollte mindestens 50 cm vom Kopf entfernt sein und parallel zum Fenster stehen.
5. Die Füße benötigen eine feste Auflage, ggf. einen Fußhocker.
Als nächstes präsentierte sie eine Übersicht der Zuständigkeiten für eine ergonomische Ausstattung des Arbeitsplatzes. Diese liegt ausschließlich beim Arbeitgeber und die DRV Bund kann die Kosten für orthopädische Bürostühle nur dann übernehmen, "wenn sie zur dauerhaften Erhaltung des Arbeitsplatzes erforderlich und nicht der Arbeitgeber zur Ausstattung nach den EU-Richtlinien und Sicherheitsregeln der Verwaltungsberufsgenossenschaft verpflichtet ist.“ Zum Unterschied zwischen einem normalen Bürostuhl und einem orthopädischen Bürostuhl heißt es: „Bürostühle im Sinne der Sicherheitsrichtlinien weisen als Ausstattungsmerkmal eine höhenverstellbare Rückenlehne mit aktiver Beckenstütze und Armstützen sowie eine verstellbare Sitzhöhe auf, um die Wirbelsäule zu entlasten." Ein orthopädischer Bürostuhl hingegen hat "über die gesetzlichen Richtlinien hinausgehende Funktionen, beispielsweise eine Sitzneigungsverstellung, eine individuelle anpassbare Lordosestütze, eine Beckenstütze und/oder eine Synchronmechanik für dynamisches Sitzen.“
Zur Verdeutlichung zeigte sie Fotos von Bürostühlen, die aus Modulen zusammengesetzt werden, beispielsweise für Patienten mit ausgeprägtem Rippenbuckel. Bei solchen individuellen Anfertigungen oder Anpassungen zahlt die Rentenversicherung, sofern
- die Erkrankung belegt ist und eine bleibende Funktionseinschränkung bedeutet,
- es sich um eine übliche Bürotätigkeit handelt,
- ein "eigener" Arbeitplatz vorhanden ist (sodaß der Stuhl nicht von Kollegen mitbenutzt werden kann),
- ein Großteil der Arbeit im Sitzen verbracht wird und
- ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. (Bei Teilzeit sowie bei befristeten Arbeitsverträgen besteht kein Anspruch.)
Bei Interesse sollte man sich beim Kostenträger einen „Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte“ besorgen. Selbiges gilt auch für Zusatzformulare (z.B. Kraftfahrzeughilfe, Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben). Diese Dokumente sollten dann zusammen mit Kostenvoranschlägen und ggf. einer Begutachtung durch den medizinischen Dienst an den Kostenträger zurückgesendet werden.
Von der ganztägigen Benutzung eines Swoppers oder Pezziballs riet Dr. Herchet ab, denn "man fühlt sich dann leicht schwindelig." Ein Wechsel zwischen ergonomischen Bürostuhl und Pezziball kann aber durchaus sinnvoll sein.

Im Anschluß an den Vortrag fragte Forumsmitglied Schokononne, wie es an der Uni aussehe. Dr. Herchet erwiderte, daß man da ganz schlechte Karten habe, da hierfür kein Kostenträger zuständig sei und es auch sonst keinen Verantwortlichen gebe. Man könne versuchen, sich mit einem Sitzkeil oder Sissel-Luftkissen zu behelfen.
Die zweite Frage kam von Pirat. Er wollte wissen, was man als Arbeitnehmer machen soll, wenn der Arbeitgeber keinen orthopädischen Stuhl stellt. Dr. Herchet antwortete, daß normale gute ergonomische Stühle schon ab 300 bis 400 Euro zu haben seien. Es sei schwierig. Man könne sich zunächst mit dem Arbeitgeber besprechen und selber konstruktive Vorschläge machen. Ein Gang zum Betriebsarzt sei ebenfalls sinnvoll. Die Berufsgenossenschaft gebe die Richtlinien vor und kontrolliere deren Einhaltung.


Aktive Korrekturmechanismen im Korsettbau/ CCtec

Präsentation von Klaus Nahr mit anschließender Fragerunde


Als Aufhänger verwendete Herr Nahr die bereits von Dr. Trobisch genannten Krümmungsklassifikationen der Chirurgen und erklärte, daß diese für den Korsettbauer nur bedingt hilfreich seien. Er erweitere ständig sein Wissen im Bereich Physiotherapie, und zwar sowohl durch Literatur als auch durch Kontakte mit Physiotherapeuten. Im Zuge dieses Selbststudiums stieß er auf die 12 anatomischen Zugbahnen, bei denen nicht nur die Knochen, sondern auch Muskeln und Faszien eine Rolle spielen. Da die Muskeln zusammenarbeiten, sollte anstelle einer isolierten Betrachtung einzelner Muskeln das Gesamte betrachtet werden - analog einer Orange, deren einzelne Rippen aneinanderhaften. Diese Muskelketten heißen "Lemniskaten" ("Schleifen").
Der Bewegungsapparat, d.h. Muskeln und Knochen, hat widersprüchliche Aufgaben zu erfüllen: Einerseits soll Stabilität sichergestellt werden, andererseits auch Beweglichkeit. Die wichtigste Zugbahn ist die Spirallinie (bzw. eigentlich sind es zwei spiegelbildliche), die an allen Skoliosen beteiligt ist. Sie ermöglicht die Erzeugung von Rotationen, d.h. Drehbewegungen. Sie beginnt beispielsweise bei rechtskonvexer thorakaler Skoliose rechts unten am Kopf, zieht sich übers linke Schulterblatt, am Bauch vorne herum. Die Verdrehung entspricht der Verdrehung, die auch beim Laufen auftritt. Die Ganganalyse wird allerdings nur selten zur Diagnose genutzt, dann als ergänzendes Analyseverfahren. Sie gibt Aufschluß über Fehlbelastungen, Bewegungsdefizite und Funktionsstörungen - zum Beispiel über eine Hüftprominenz, wie Herr Nahr anhand eines Filmchens einer Skoliosepatientin aufzeigt.
Er nutzt diese Dynamik für die Korrektur: Bei der Skoliose wird die natürliche Drehung beim Gehen während des Stehens nicht aufgelöst. Die Pelotten werden deshalb spiralförmig angeordnet. Dadurch gebe es keine Engstellen und keine Hautprobleme. Die Korsette sind zu Beginn immer etwas größer, und zwar wegen der möglichen Streckung. Dadurch steht eine Schulter zu hoch, was sich durch die Streckung jedoch wieder gibt. Die Korsette entsprechen dem 3-Punkt-Prinzip und dem Spiegelungsprinzip (d.h. durch die Pelotten werden die Krümmungen im Idealfall auf die andere Seite gedrückt). Zur Verdeutlichung brachte er Fallbeispiele von zwei Mädchen.
Er sei kein Fan von Gradzahlvergleichen und fände Röntgenbilder zu ungenau. Eine leichte Überkorrektur vorm Abschulen sei erwünscht, weil wieder etwas von der Korrektur verlorengehe. Das Ziel sei es, bis zum Abschluß des Wachstums unter 30 ° zu kommen, wegen des dann deutlich geringeren Progredienzrisikos.
Das C7-Lot markiert die sagittale Balance, wenn es die Hinterkante der S1-Deckplatte schneidet. Oder anders ausgedrückt: Das Ohr soll senkrecht über dem Hüftgelenk sein. Dies ist insbesondere für Kyphose-Lordose-Patienten wichtig. Zur besseren Beckenaufrichtung gestaltet Herr Nahr die Korsette so, daß sie hinten Druck aufs Kreuzbein ausüben. Diese Steißbeinpelotte muß genau angepaßt werden, um Hautirritationen zu vermeiden und sicherzustellen, daß man sich auf der Toilette noch abwischen kann. Herr Nahr schaut auch, ob sich die Kyphose bereits aufrichtet, wenn die Hyperlordose beseitigt ist. Erst dann, wenn dies nicht der Fall ist, kommt oben etwas dazu (Reklinationsbügel, die dann später evtl. wieder weggelassen werden können). Eine Bauchpresse ist bei Hohlkreuz nicht nötig; die Beckenkippung reicht aus. Durch die Korsette kommt es nicht zu Muskelschwund, sondern zu Aktivierung. Dies kann auch bei älteren Menschen funktionieren.

Die erste Frage kam von Klaus und betraf das Lot vs. den reflektorischen Ausgleich. Dazu merkte Herr Nahr an, daß viele Hyperkyphosen trotz Ausgleichslordose nicht im Lot stünden. Dr. Steffan fügte hinzu, daß dies auch bei Skoliose nicht der Fall sei.
Neben dem Lot seien auch die Kopfhaltung und die Beinachse wichtig.
Toni berichtete von einem Aha-Erlebnis im Zusammenhang mit den Spirallinien und wollte wissen, ob das etwas mit der Spiraldynamik zu tun habe. Herr Nahr erwiderte, daß er nichts davon gewußt habe und es sich deshalb um einen Zufall handele. Er habe auch die Dorn-Therapie nicht gekannt. Er probiere immer wieder Dinge aus und beobachte. Es wurden ihm auch Bücher über die verschiedenen Therapieformen zugeschickt. Er versuche zu kombinieren und zu optimieren.
Sehr unterschiedliche Formen von Korsetten können gleichermaßen gut korrigieren.
Die Frage eines Teilnehmers nach dem Nutzen eines Nachtkorsetts bei Erwachsenen beantwortete er mit "Weiß ich nicht, ist immer eine Frage des Versuchs."
In den ersten Monaten passiere stets viel, später hingegen ginge es um Nuancen.
Pirat hakte nach: Nachts seien die Bandscheiben doch sowieso entlastet, welchen Nutzen sollte dann ein Nachtkorsett haben? Nahr entgegnete, daß die Weichteile auch nachts eine Spannung bzw. einen Zug ausübten. Toni ergänzte: "Tagsüber sendet das CCtec Reize aus, man muß sich oft räkeln. Nachts verhindert es das Einkringeln."
Nahr meinte: "Ein Korsett ist kein Knochenrichter, sondern ein Muskelentspanner."
Je mehr Richtungsänderungen der WS, desto schwieriger werde die Korrektur, und auch die Compliance sei oft nicht vorhanden.
Eine Teilnehmerin fragte nach der Anzahl der pro Jahr von CCtec gefertigten Erwachsenenkorsette. Nahr konnte keine genaue Zahl nennen; es handele sich um etwas zwischen 50 und 80 und damit um weniger als 10% der Gesamtheit der gefertigten Korsette. Die Indikationen seien andere als bei Kindern und Jugendlichen. Bei etwa 50% der Erwachsenen gehe es gut. Viele Patienten kämen zu ihm und wollten unbedingt ein Korsett und ließen sich das auch nicht ausreden, aber "Ich bin Handwerker, habe Grenzen, und irgendwann ist der Chirurg im Vorteil."
Anschließend fragte Pirar: "Bringt ein Korsett bei Fehlbildungsskoliosen denn überhaupt etwas?" Nahrs Antwort war, daß bei manchen Fehlbildungsskoliosen fast immer operiert werden müsse.
Die Frage, ob Schroth im Korsett sinnvoll sei, verneinte er.


Vortrag von Dr. Steffan zum Thema "Was ist ein gutes Korsett?"

Dr. Steffan gehört dem Skoliose-Info-Forum bereits seit dem ersten Jahr an und war damit der erste Arzt im Forum überhaupt.
Zu Beginn erklärte er, keinen reinen Vortrag halten zu wollen, sondern das Ganze interaktiv gestalten und Fragen stellen zu wollen. Die erste dieser Fragen lautete:

"Was ist ein gutes Korsett?"
Warum werde über Korsette mehr diskutiert als über Schroth; wohl wegen der unterschiedlichen Herangehensweisen.

1. Als Erster meldete sich Toni und berichtete über seine Korsette:
Zunächst hatte er ein Gipskorsett und dann ein Boston-Korsett getragen. Sein erstes "richtiges" Korsett war dann ein Rahmouni, und er bewundere sich selbst dafür, das durchgehalten zu haben. Es zwang ihn zu einem Jobwechsel und erforderte/ brachte noch weitere Veränderungen sowie nicht nur eine Aufrichtung seiner WS, sondern auch seiner Psyche mit sich. Er erklärte: "Ein gutes Korsett vermittelt so viel Zuversicht, daß man es trotzdem aushält."!
2. Ein Mädchen meinte: "Ein gutes Korsett sollte sich gut verstecken lassen."
3. Eine Teilnehmerin von der SHG Unterfranken äußerte, daß beim Milwaukee-Korsett der Tragekomfort zu schlecht war und daß sie nun eine Kubco-Orthese gegen Schmerzen und zum besseren Atmen trage.
4. Herrn Stauer zufolge muß ein gutes Korsett möglichst wirksam sein - "wenn's geht Überkorrektur" -, unauffällig und nicht schmerzverursachend. Nicht immer die maximale Wirkungsweise sei das Maß der Dinge, sondern die Compliance (die inzwischen deutlich besser sei als früher) sei entscheidend. Er sei stets dankbar für Feedback.
5. Dophingirl94 erklärte, daß neben einer guten Korrektur auch die Tatsache wichtig sei, daß diese gehalten werden kann, und daß man das Korsett verstecken können sollte.
6. Uspe merkte an, daß ein Korsett an den Kanten abgepolstert sein sollte, um die Beschädigung von Kleidung zu vermeiden, und daß man möglichst wenig darin schwitzen müssen sollte.

Als Nächstes stellte Dr. Steffan folgende These auf: "Es gibt viele gute Korsette und noch mehr schlechte."
Dazu führte er aus, daß stets die Wünsche des Patienten, des Arztes und des Orthopädietechnikers unter einen Hut gebracht werden sollten. Wörtlich sagte er:
"Ein Korsett, das der Patient nicht akzeptiert, ist kein gutes Korsett."
Weiter erklärte er: "Es geht mir nur zu 20/30% um den Cobb-Winkel." Wichtiger seien seiner Meinung nach Rotation, Lotstellung, äußeres Erscheinungsbild, Flachrückentherapie und Hüftstellung. Beschwerden bei Erwachsenen hingen nicht vom Cobb-Winkel ab. Lotabweichungen verursachten mehr Schmerzen als zwei gleich große Bögen, und zwar aufgrund der ungleichen Muskelbelastung.
Ein Patient sollte sein Korsett möglichst lange pro Tag tragen können. Weiter merkte er zur Tragbarkeit an:
- Die vorgegebene Tragezeit solle innerhalb von 4 Wochen erreicht werden;
- Das Korsett dürfe keine Schmerzen verursachen, keine offenen Hautstellen sowie keine länger anhaltenden Taubheitsgefühle und Durchblutungsstörungen;
- Die unterschiedliche Hautbeschaffenheit müsse beachtet werden;
- Auch Optik und Akzeptanz seien wichtig.
Zur Verdeutlichung zeigte er Fotos unterschiedlicher Korsette. Dann präsentierte er seine zweite Frage:

"Wer baut die besten Korsette?"
Seine Antwort darauf: "Alle und keiner - DAS beste Korsett gibt es nicht!"
"Für mich ist ein guter Orthopädietechniker der, der beim Durchschnitt seiner Verordnungen eine gute Compliance seiner Patienten bei einer durchschnittlichen Korrektur ohne ausgeprägte Nebenwirkungen erreicht."


Schroth-Therapie in der Ambulanz

Präsentation von Katja Schumann (Skoliofit, Paderborn)


Zunächst stellte sich die Referentin kurz vor: Sie war 5 Jahre lang in Bad Sobernheim tätig und ist nun seit 4 Jahren selbständig. Sie ist Schroth-Therapeutin, aber keine Physiotherapeutin. In ihrer Präsentation stellte sie ihre Praxis vor und beantwortete die im Vorfeld des Treffens im Forum gestellten Fragen zu den Themen Schroth und Fitnesstraining (Auflistung folgt weitgehend dem Text auf den Folien):

• Schroth für Kinder < 5 Jahre:

- Elternschulung
- vereinfachte Ausgangsstellungen
- vereinfachte Übungsaufträge
- spielerisches Durchführen der Übungen

• Schroth für Neulinge

- Diagnostisches Gespräch mit Skoliometermessung, Trainingsplanerstellung, Beratung
- 6x 90 min Anfängergruppe mit Theorie (Schroth-Nomenklatur), Heftchen-Übungen und Alltagsverhalten
- Vorhandensein der Grundlagen nach 6 Wochen
- Beginn in der Bauchlage wegen stabiler Ausgangsposition und größter Unterstützungsfläche;
- Anschließend Erarbeitung der Korrekturhaltung im Stand und zum Schluß das Sitzen mit 5. Beckenkorrektur.
- 6 Personen pro Gruppe

• Schroth nach der Reha

- Einstieg in Fortgeschrittenengruppe (zu 99% Gruppentherapie)
- 90-min-Training (incl. vorheriger Bürstenmassage)
- Gurt und Stäbe
- Sprossenwand
- Deuserband

• Schroth für an der WS-Operierte


- Lenken der Atmung (Bauch- und Brustatmung)
- Asymmetrische Atmung in die eingefallen Stellen, Steigerung der Vitalkapazität
- Asymmetrische Kräftigung
- Manches geht nicht mehr: hängende Übungen ohne Bodenkontakt, Angurten, Bending, Muskelzylinder im Stand

• Allgemeines


- Eigenem Netzwerk in Paderborn wird sehr hohe Priorität zugemessen;
- Ziel (derzeit noch nicht realisiert): Separate Gruppen für Patienten mit 3-bogigen Skoliosen, 4-bogigen Skoliosen und symmetrischen Verkrümmungen

• Trainingsgrundlagen

- 5-Stufen-Modell nach Froböse und Lagerstrøm (nicht skoliosespezifisch)

1. Aktivierung und Anbahnung _____ 10-30
2. Muskelausdauertraining _________ 30-40
3. Muskelaufbautraining ___________ 40-70
4. Maximalkrafttraining ____________ 75-100
5. Einbau in den Alltag
Die Zahlen bedeuten "% der maximalen Kraft".

Anmerkungen
Zu 1. intermuskuläre Koordination
Zu 3. Vergrößerung des Querschnitts
Zu 4. intramuskuläre Koordination

• Superkompensation

Man wird nicht während des Trainings stärker, sondern erst in der Erholung (Belastung => Ermüdung => Erholung => Superkompensation).

• Regenerationszeiten:

- abhängig von Trainingszustand, Traningsintensität und Regenerationsgrad
- nach Wilke et al. (2003) für das Krafttraining mit anaboler Wirkung:
• 90-95%ige Regeneration nach 18 h
• vollständige Regeneration mit Superkompensation nach 72-84 h

• RPE-Skala

- modifiziert für das Krafttraining (nach Fiehn/ Schulte-Frei 1995):

Wert ___Einschätzung _________ Belastung

1 _____ sehr leicht _____________ 0-10
2 _____ leicht _________________ 10-30
3 _____ etwas anstrengend ____ 30-50
4 _____ anstrengend __________ 50-70
5 _____ schwer ________________ 70-90
6 _____ sehr schwer ___________ 90-100

Alle Angaben in %.

- Die Patienten müssen alles dokumentieren.

• Fitnesstraining

- sinnvoll, unter Vorbehalt
- Basiskorrekturen beachten
- Funktion der Muskeln beachten (z.B. Bauchmuskeln = statische/ haltende Funktion)
- Korrekturrichtungen bei den Übungen beachten (z.B. keine Sit-Ups bei Hyperkyphose)

• Forumsfrage: Schroth splitten?

- Ja, kann man machen, z.B. jeden Tag andere Übungen.


Abschlußdiskussion

1. Thomas erklärte sich nicht damit einverstanden, daß ein schlecht korrigierendes Korsett, welches 23 Stunden getragen wird, besser sein soll als eines, das sehr gut korrigiert und nur wenige Stunden getragen werden kann: "Bisher hieß es doch immer, daß ein Korsett mindestens 50% Korrektur bringen soll! Wieso ist das jetzt plötzlich anders?"
Dr. Steffan und Herr Nahr widersprachen und erklärten, daß sie die Cobb-Werte nicht als Maßstab sehen.

2.Toni meinte, daß die Orthopädietechniker in der Tat von sehr unterschiedlicher Qualität seien. Eine hohe Korrektur auf dem Röntgenbild könne sehr motivierend für den Patienten sein, und meist könne das Korsett nach einer Weile auch länger getragen werden.
Herr Stauer kommentierte diese Aussagen folgendermaßen: "Das Röntgenbild ist gar nichts im Vergleich zum klinischen Bild."

3. SchwarzeSchnecke merkte an, daß Rahmouni eher Patienten aus der OP-Indikation heraushole als andere Orthopädietechniker. Weiter führte sie aus: "Er will sehen, welche Korrektur mit dem Korsett maximal möglich ist, und schleift danach die Pelotten wieder etwas ab."
Dazu meinte Dr. Steffan: "Das ist nichts anderes als Röntgenkosmetik."
An dieser Stelle trat Herr Harzer, der Schwiegersohn von Rahmouni und selber Orthopädietechniker, aus dem Publikum hervor und erklärte: "Der Cobb-Winkel ist interessant für die langfristige Perspektive. Der Cobb-Winkel ist nicht allein entscheidend, aber wichtig, und sollte nicht heruntergeredet werden."

4. Rahmouni-Korsetträgerin Schokononne äußerte, in 3-5 Jahren eine gute Korrektur schaffen und somit eine OP vermeiden zu wollen. Nach nur einem Monat sei ihre Hyperkyphose bereits um 30° korrigiert.

5. Dr. Steffan hält vor allem die Tragezeit für entscheidend bei Jugendlichen und ist gegen Standardwerte bei der OP-Indikation.

6. Ein Mädchen mit Fehlbildungsskoliose berichtete, 10 Jahre lang ein Korsett getragen und selber nach mehr Druck verlangt zu haben. Sie konnte damit die OP hinauszögern.

7. Herr Harzer erklärte: "Die Korrektur im Korsett ist normalerweise nicht der Ausschulungsbefund, und das sollte klar kommuniziert werden."

8. Dr. Steffan sagte: "Wir akzeptieren die Korsette der Korsettbauer, die heute hier vertreten sind."

9. Lydia äußerte, selber operiert worden zu sein und drei betroffene Kinder zu haben. Sie mußte ein Gipskorsett tragen und tut ihren eigenen Angaben nach alles dafür, daß ihre Kinder kein Korsett tragen müssen. Es gebe außerdem auch noch andere Methoden, außer Schroth auch Vojta und Bobath.
Dazu meinte Klaus Nahr: "Ab einer bestimmten Krümmung braucht es halt einfach ein Korsett."

10. Dr. Herchet bestand darauf, daß andere Therapieformen als Schroth nur Ergänzungen sein könnten, da sie nicht dasselbe leisten könnten wie Schroth. Als mögliche Ergänzungen nannte sie Bobath, Spiraldynamik, Bachblüten, Yoga und noch einiges andere. Patentmittel gebe es nicht, und randomisierte Studien könne es ebenfalls nicht geben.

11. Die von Klaus gestellte Forumsfrage nach Alternativen zu Schroth wurde von verschiedenen Personen unterschiedlich beantwortet:
- Klaus Nahr: "Gessner."
- Dr. Herchet: "Ausprobieren!"
- Dr. Steffan: "Vojta für Behinderte, Bobath, muß man testen, gegebenenfalls auch ganz normale KG."
- Andrea: "Es gibt immer irgendwelche Schroth-Übungen, die gehen."

12. Die Mutter von Schokononne erkundigte sich danach, was zu tun sei, wenn keine Schroth-Therapeuten in der Nähe seien.
Dr. Steffan empfahl für diesen Fall immer wieder Rehas zur Wiederholung, um allein und ohne ambulante KG nach Schroth zurechtkommen zu können.
Sloopy schlug vor, bei weiter Entfernung zum nächsten Schroth-Therapeuten nach Möglichkeit mehrere Therapiestunden zusammenzulegen.
Toni behauptete, ambulante Physiotherapeuten verstünden nichts von Kyphose. Er habe sich schon öfter anhören müssen, Schroth helfe nur bei Skoliose. Ein Physiotherapeut habe ihn gebeten, ihm Übungen gegen Kyphose zu zeigen. An dieser Stelle widersprach SchwarzeSchnecke: "Ich keine zwei ambulante Schroth-Therapeuten, und bei jedem davon habe ich hauptsächlich Übungen gegen Kyphose gemacht."

Obwohl noch weiterer Diskussionsbedarf bestand, mußte die Diskussion an dieser Stelle beendet werden, weil noch die Klinikführung und gleich danach das Abendessen anstanden.


Klinikführung durch Dr. Herchet

Dies war der letzte Punkt des offiziellen Programms.
Da ich die Klinik in Bad Salzungen von meinem Reha-Aufenthalt her schon kannte, nahm ich nicht daran teil.
Falls jemand möchte, kann er diesen Teil des Berichts noch ergänzen.

_______________

Zu der Abschlußdiskussion ist noch anzumerken, daß ich möglicherweise den einen oder anderen Satz nicht erfassen konnte, weil ich selber an der Diskussion teilgenommen habe.

Außerdem weise ich darauf hin, daß es sich hier um einen Bericht handelt, der - wie es sich für einen Bericht gehört - neutral ist. Er enthält also keine Informationen zu Dingen wie Stimmung, Tonfall, Zwischen-den-Zeilen-Gesagtem usw. Daher mache ich an dieser Stelle ergänzend auf die Diskussions- und sonstigen Threads zum Forumstreffen aufmerksam:


:arrow: Programm, Teilnehmerliste, Organisatorisches: viewtopic.php?f=16&t=22903
:arrow: Themenwünsche: viewtopic.php?f=16&t=22965
:arrow: Finanzierung: viewtopic.php?f=16&t=23084
:arrow: Dankesbekundungen und Eindrücke: viewtopic.php?f=16&t=23393
:arrow: Kritik am Vortrag von Dr. Steffan: viewtopic.php?f=16&t=23418


VG, Anne
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Raven
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Therapie: OP: 1997 mit 13 Jahren Versteifung Th3 - L5 / Hessing-Klinik Augsburg; kaum Restgrade

Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Raven »

Hallo Anne,

zwei kurze Nachfragen:
Von der ganztägigen Benutzung eines Swoppers oder Pezziballs riet Dr. Herchet ab, denn "man fühlt sich dann leicht schwindelig." Ein Wechsel zwischen ergonomischen Bürostuhl und Pezziball kann aber durchaus sinnvoll sein.
Bezog sich Dr. Herchet hierbei auf eine bestimmte Personengruppe (Skoliose, Kyphose, operiert, ohne Abweichungen), ist diese Aussage auf alle Personengruppe bezogen, oder ging dies nicht klar hervor?
wie es an der Uni aussehe
Bezog sich Schokononne hier auf Studenten, oder an der Uni angestellte Personen, wenn letzteres, auf welche (studentische Hilfskräfte, wissenschaftliche Mitarbeiter mit Abschluss, nichtwissenschaftliches Personal (z.B. Verwaltung) etc.)?

Danke für deinen ausführlichen Bericht :)

Viele Grüße,
Raven
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SchwarzeSchnecke
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Raven hat geschrieben:Bezog sich Dr. Herchet hierbei auf eine bestimmte Personengruppe (Skoliose, Kyphose, operiert, ohne Abweichungen), ist diese Aussage auf alle Personengruppe bezogen, oder ging dies nicht klar hervor?
Auf alle.
Bezog sich Schokononne hier auf Studenten, oder an der Uni angestellte Personen, wenn letzteres, auf welche (studentische Hilfskräfte, wissenschaftliche Mitarbeiter mit Abschluss, nichtwissenschaftliches Personal (z.B. Verwaltung) etc.)?
Auf Studenten.

VG, Anne
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Sylvia »

Hallo Anne,

danke für den ausführlichen Bericht :top:

Liebe Grüße Sylvia
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Schokononne
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Schokononne »

Liebe Anne, vielen Dank für den tollen Bericht und die Mühe, die du dir damit gemacht hast! Dein Bericht liest sich wirklich gut! :)

Raven hat geschrieben: Bezog sich Schokononne hier auf Studenten, oder an der Uni angestellte Personen, wenn letzteres, auf welche (studentische Hilfskräfte, wissenschaftliche Mitarbeiter mit Abschluss, nichtwissenschaftliches Personal (z.B. Verwaltung) etc.)?
Hallo Raven,

ich habe mich auf Studenten bezogen, somit primär auf mich als Studentin.
In der Uni habe ich nämlich massive Probleme mit der Bestuhlung. Mein Korsett ist recht lang, weswegen ich auf den wenigsten Stühlen wirklich sitzen kann und teilweise sogar förmlich runterrutsche. Behelfe mir daher mit einem Luftkissen. Meine Frage bezog sich darauf, ob auch im universitären Umfeld geeignete Stühle zur Verfügung gestellt werden und von einem Kostenträger übernommen würden, was Frau Herchet verneinte.

Habe aber inzwischen die Erfahrung gemacht, dass man in der Uni doch hilfsbereiter ist, als gedacht. Zumindest für die Prüfungen bekomme ich eine Auswahl für mich bequemer und geeigneter Stühle zur Verfügung gestellt. Allerdings keine, die extra angeschafft wurden. Bekomme Bestuhlung, die normalerweise in den Büros der Dozenten stehen (gespolsterte Stühle oder Bürostühle).

Würde auch für meine Seminare andere Bestuhlung bekommen, aber da alle meine Veranstaltung in verschiedenen Räumen stattfinden, gestaltet sich das recht schwierig.

LG, Schoko
Mein Korsett-Tagebuch: Schokos Tagebuch: Vom 1.Termin zum 1.Korsett (Kyphose 74°)

Mein neues, korsettfreies Tagebuch: Schokos 2.Tagebuch: Und plötzlich ohne Korsett!

Mein aktuelles Tagebuch: Schokos 3. Tagebuch: Im 5. Jahr das 5. Korsett

Ganz liebe Grüße, Schoko
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Thomas
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Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von Thomas »

Hallo Anne,

auch von mir herzlichen Dank für den ausführlichen Bericht!

Gruß Thomas
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sloopy
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Wohnort: Eifel
Kontaktdaten:

Re: Bericht vom Forumstreffen in Salzungen am 5. November 20

Beitrag von sloopy »

Hallo Anne,

auch von mir vielen, vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht! Du hast dir sehr viel Mühe gegeben.

Anbei noch ein paar optische Eindrücke, die Sonntagmittag beim Rundgang um den See entstanden sind.

LG, sloopy
Dateianhänge
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Mein Thread: Mein CCtec (Erwachsenen)korsett und ich

"Bewahre mich vor dem naiven Glauben,es müsse im Leben alles glatt gehen. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge, Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind, durch die wir wachsen und reifen." (Antoine de Saint-Exupéry)
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