Sorry aber es ist mir nicht möglich, an diesem Punkt neutral zu sein.
Aus folgendem Grund:
(ich muss ein wenig ausholen)
Eine Korsettehrapie findet in den meisten Fällen im Alter zwischen 11 und 18 Jahren statt. In einer Zeit, in der die Kinder und Jungendlichen eine große Umwandlung ihres Körpers und ihrer Psyche erleben. Auf einmal ist es wichtig, wie man aussieht, wie cool man ist, was man darstellt, auf einmal ist die Peergroup und die Außendarstellung das Wichtigste auf der Welt und alles, was einen zum Außenseiter macht ist das Schrecklichste, was vorstellbar ist.
Wenn dann eine behandlungsbedürgtige Skoliose festgestellt wird und die Kinder womöglich ihren Rücken selbst als krumm empfinden, neigen viele dazu, sich lieber operieren zu lassen, als eine konservative Behandlung über sich ergehen zu lassen.
Die Vorstellung, die dann bei vielen vorherrscht und die leider von den entsprechenden Ärzten propagiert wird ist: lass dich operieren und dann ist alles gut. Als wäre das ein Spaziergang (
) wird dieser schwere und nicht mehr rückgängig zu machende Eingriff verharmlost und nicht wenige lassen sich darauf ein.
Es ist unsere Aufgabe als Therapeuten auf die konservative Behandlung hinzuweisen und es ist häufig nicht leicht, den Betroffenen eine Korsetttherapie schmackhaft zu machen. Gerade Jugendliche, gerade Mädchen wehren sich zunächst mit Händen und Füßen gegen das Korsett und manchen Eltern fällt es schwer, ihre Kinder davon zu überzeugen, dass es sinnvoll sein kann, eine Operation zu vermeiden.
Ich bin froh, dass wir hier Dr. Hoffmann in relativer Nähe haben, denn diejenigen Eltern, die mit ihren betroffenen Kindern auf unseren Hinweis hin zu ihm gefahren sind, ließen sich ausnahmslos von ihm überzeugen, eine konservative Therapie anzugehen, wenn sie seiner Ansicht nach angezeigt war.
Doch wenn die Eltern überzeugt sind, sind es die Kinder noch lange nicht. Wir verweisen dann auch gerne auf dieses Forum, in dem es ja viele Berichte über die konservative Therapie mit Korsett gibt und gerade das Teenie-Forum kann da sehr überzeugend und ermutigend sein.
Ich stelle mir vor, dass diejenigen Eltern und Jugendlichen, die sich hier im Forum über die Therapiemethoden einer Skoliose informieren und von jemandem lesen, der hier wie du, Liam, diese Therapie aufgrund eigener Erfahrung als durchweg negativ darstellt, eher wieder abgeschreckt wird, diesen Weg zu beschreiten. Ein Korsett-skeptischer Jugendlicher, der deinen Bericht liest, legt ihn dann womöglich seinen Eltern vor und sagt: siehste, taugt nichts, macht mich unglücklich, ich werde gemobbt werden.
Ich will doch lieber eine OP.
So, und jetzt?
Was ist damit gewonnen?
Nichts, im Gegenteil, eine Chance wurde vertan.
Und das kann nicht in deinem Sinne sein, Liam. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Vielleicht ist es dir ja möglich, auch die positiven Aspekte einer konservativen Therapie in Erwägung zu ziehen. Vielleicht kannst du dir ja vorstellen, dass es viele erfolgreich zu Ende gebrachten Therapien mit Korsett gibt, die über dem Durchschnitt liegen. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie schwierig es ist, einem jungen Menschen begreiflich zu machen, dass er es wenigstens versuchen sollte, bevor er sich für eine OP entscheidet. Wenn es denn gar nicht gehen sollte, ist das noch immer eine Option, der man sich nicht verschließen darf. (Auch ich nicht, auch wenns schwer fällt
).
Die Wenigsten (ich habe noch niemanden erlebt) wollen gar nichts tun, was ja auch eine Option wäre. Die meisten, nein alle, die zu uns (oder zu Dr. Hoffmann oder ins Forum) kommen, wollen, dass ihnen in irgendeiner Art und Weise geholfen wird.
Die Vorstellung, diesen Menschen zu sagen, dass eine Korsettherapie schrecklich ist und meistens nur Stress und Ärger und Schmerzen bringt, will und will mir einfach nicht gelingen. Lieber weise ich auf die positiven Aspekte hin. Das erscheint mir wesentlich konstruktiver.
Grüße
Karin