OP nicht immer nur letzte Wahl

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Dr. Trobisch
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OP nicht immer nur letzte Wahl

Beitrag von Dr. Trobisch »

Liebe Leser,

gerne möchte ich mich wieder zum Thema Operation äußern, da ich in letzter Zeit häufig teilweise verwirrende und manchmal fast falsche Einschätzungen zu einer möglichen Operation gelesen habe.

Grundsätzlich herrscht schon seit vielen Jahrzehnten die Einstellung, dass die OP die Methode der letzten Wahl sein sollte, da sie nicht rückgängig zu machen ist. Das ist in der heutigen Zeit nur noch teilweise wahr.

Ich erlebe häufig in meiner Sprechstunde Patienten, die durch ein zu langes Zögern auch Nachteile entwickelt haben. Ich möchte kurz ein paar Gründe anführen.

1) In einigen Fällen würde man bei einer frühzeitigen Operation mit einer reinen Versteifung der thorakalen Skoliose auskommen, so lange die lumbale Krümmung nur kompensatorisch ist. Wartet man zu lange, kann diese strukturell werden und man müsste sie ebenso versteifen. Eine reine thorakale Versteifung wirkt sich so gut wie nicht auf die Beweglichkeit aus, eine lumbale schon mehr.

2) Auch bei größer werdenden lumbalen Krümmungen ist das Ziel der OP eine möglichst kurze Versteifung. Es kann schon einen Unterschied machen, ob die Versteifung nur bis zum zweiten, zum dritten oder sogar zum vierten Lendenwirbel geht. Je größer die Krümmung, desto tiefer muss man versteifen

3) Es gibt heutzutage auch nicht versteifende Operationen, wie die dynamische Skoliosekorrektur. Zwar muss diese Methode noch genauer untersucht werden, aber grundsätzlich gilt hier: Je früher, desto besser. Am besten vor Abschluss des Wachstums (idealerweise mit ca. 12 oder 13 Jahren)

4) Krümmungswinkel bei degenerativen Skoliosen haben viel weniger Aussagekraft als bei idiopathischen Skoliosen. Eine degenerative Skoliose mit 30° kann durchaus schon eine Seitverschiebung zweier Wirbel haben, die dann zu einer vollständigen Verengung des Spinalkanals führt und manchmal auch schon neurologische Ausfälle mit sich zieht. Hier sollte man nicht lange abwarten sondern zügig handeln


Weiterhin sollen ja in diesem Forum gute und schlechte Erfahrungen geteilt werden, aber ich vernehme zunehmend, dass ohne genaues Wissen von Details sofort Schroth, Spiraldynamik und Korsett empfohlen werden. Gerade bei größeren Krümmungswinkeln oder Skoliosen nicht-idiopathischer Ursache, schadet es nicht, frühzeitig eine erfahrene Klinik nach einer Meinung zu fragen. Seriöse Kliniker werden nicht sofort die OP empfehlen, nur weil sie gerne operieren. Sie werden über die Vor- und Nachteile der OP und den möglicherweise günstigsten Zeitpunkt reden.

Viele Grüße,
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Klaus
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Re: OP nicht immer nur letzte Wahl

Beitrag von Klaus »

Hallo Herr Dr. Trobisch,

vielen Dank für Ihre Darstellung.
Weiterhin sollen ja in diesem Forum gute und schlechte Erfahrungen geteilt werden, aber ich vernehme zunehmend, dass ohne genaues Wissen von Details sofort Schroth, Spiraldynamik und Korsett empfohlen werden. Gerade bei größeren Krümmungswinkeln oder Skoliosen nicht-idiopathischer Ursache, schadet es nicht, frühzeitig eine erfahrene Klinik nach einer Meinung zu fragen.
Es lässt sich in einem offenen Forum nicht vermeiden, dass User anderen Usern Empfehlungen aus eigener Erfahrung geben, obwohl die Situationen bekanntermaßen extrem unterschiedlich sein können. Dem steuern aber die aktiven User entgegen, indem diese konservativen Methoden nur als beispielhafte Möglichkeiten dargestellt werden.
Es wird immer wieder (nicht zuletzt von mir) betont, dass vor jeder Art von Therapie die kompetente ärztliche Diagnose stehen muss. Hier sind die uns bekannten Spezialisten gefordert, die auch die Notwendigkeit einer rechtzeitigen OP und deren Art als Empfehlung einschätzen können sollten.

Unser Forum hat den Schwerpunkt konservative Behandlung und deren Erfahrungen damit. Es liegt also auf der Hand, wenn diese Methode bei der Frage eines Newbies nach einer OP als bereits versucht nachgefragt wird. Ich denke, die meisten aktiven User wissen, dass eine schnelle Veränderung der Gradzahlen immer ein Alarmsignal ist und dies auch entsprechend kommentieren, wenn davon berichtet wird.

Selbstverständlich sollten bei Zweifeln immer Zweit- oder sogar Drittmeinungen eingeholt werden. Nur wird es für den User schwierig, wenn sich das auf den Vergleich zwischen einer eher konserativen und einer eher chirurgischen Meinung bezieht.
Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem Schroth, Spiraldynamik, Korsett und andere Verfahren ausprobiert wurden und dann mit voller Überzeugung doch eine OP durchgeführt wurde. Ein nicht unwichtiges Argument, wenn der Zeitablauf im Rahmen einer möglichen Verschlechterung bleibt.

Hier im Forum hat sich ja in der Vergangenheit gezeigt, dass es durchaus Diskussionen zwischen ärztlichen Spezialisten geben kann, was ich natürlich grundsätzlich begrüße.

Gruß
Klaus
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