Hallo!
Deine Frage war für mich der Grund, mich direkt anzumelden, weil ich gleich was helfen kann
Vielleicht hast du mittlerweile schon angefangen? Ich schreibe trotzdem, denn selbst wenn du begonnen hast, können dir meine Erfahrungen vielleicht helfen!
Ich kann dir keine allgemein gültige Antwort geben, weil es darauf ankommt, ob und welche Schmerzen du hast und welchen Kung Fu Stil du lernen willst. - Da ich mich bei den Stilen nicht so auskenne, weiß ich nicht, ob es welche gibt, die besser oder schlechter für die Skoliose sind.
Aber ich kann dir mal zu meiner eigenen Erfahrung schreiben:
Ich habe 55°Cobb in der Brust- und 33°Cobb in der Lendenwirbelsäule und mache seit einem Jahr Wing Chun Kung Fu.
Insgesamt fand ich das Training sehr positiv, aber es gibt natürlich ein paar Nachteile.
Ich wills dir genauer erläutern!
Wing Chun Kung Fu
Ich habe mich bewusst für Wing Chun entschieden, weil schon die Theorie für Skoliose und meinen Körperbau passend schien:
„Der Legende nach wurde der Stil von einer Frau (einer Shaolin Nonne) entwickelt was sich noch daran erkennen lässt, dass der Stil darauf ausgelegt ist auch gegen körperlich überlegene Gegner zu funktionieren. In Wing Chun wird somit nie einfach Kraft gegen Kraft verwendet. Vielmehr lernt der/die Übende den eigenen Körper optimal einzusetzen und mit richtig angewendeter Technik und geringem Kraftaufwand die Kraft des Gegners ins Leere zu leiten und die eigenen Angriffe ins Ziel zu bringen.
Wing Chun gilt als eine der/wenn nicht die effektivste Selbstverteidigungstechnik überhaupt. Als ganzheitliche Kampfkunst werden neben der Verteidigungsfähigkeit viele andere Aspekte trainiert, sodass mit der Zeit der Selbstverteidigungsgedanke immer mehr in den Hintergrund rückt. Mit Fortdauer des Trainings werden massiv das Gleichgewicht und die Stabilität verbessert; die Koordination wird gefördert; Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer werden trainiert; richtiger Atemtechnik und Konzentrationsfähigkeit werden geschult und körperliche und geistige Anspannungen werden verringert etc. , etc. ..“
(Zitiert von
http://www.kampf-kunst.at/Seite3.htm , dort trainiere ich.)
Es ist natürlich wahrscheinlich, dass auch andere Kung Fu Stile sinnvoll sind, aber dazu will ich eben nicht beraten, da ich sie nicht kenne.
Also meine Stellungnahme zu dem Zitat: Für mich ist im Training vor allem „Gleichgewicht und Stabilität“ unglaublich hervorgetreten. Zumindest mein Trainer legt enormen Wert auf den richtigen Stand (Yee Chi Kim Yeung Ma). Ich habe dabei zum ersten Mal gelernt, wie ich richtig stehen kann, um Schmerzen zu vermeiden, und stelle mich auch zum Beispiel in der Straßenbahn in eine abgeschwächte Form dieses Stands. Für die Skoliose wichtig: Man lernt dabei auch, durch ein richtiges Maß an Spannung in Oberschenkel, Hüfte und Bauchmuskeln, die Lendenwirbelsäule zu entlasten - und außerdem, wie man Gewicht oder zum Beispiel eben Kurven/Unebenheiten beim Straßenbahnfahren nicht mit dem Rücken, sondern mit den Beinen stabil entgegennimmt und das Gewicht sozusagen "an den Boden abgibt".
Richtige Atemtechnik beginnen wir erst jetzt (für mich nach einem Jahr) zu lernen, das stand bisher nicht so im Vordergrund. Ich habe das stattdessen im Shaolin Qi Gong gelernt, das vom selben Lehrer angeboten wurde.
Schwierigkeiten mit Skoliose:
Sobald ich intensiver mit dem Training begonnen habe (2x pro Woche momentan), gab es allerdings doch mehr Probleme. Bei neuen, schwierigen Techniken ist meine Konzentration so gefordert, dass ich falsch stehe, verkrampfe und Schmerzen bekomme.
Ich muss manchmal darauf hinweisen, dass ich nicht so schnell kann. Dann geht es meistens darum, dass rotierende Bewegungen mit dem rechten Arm bei mir viel längeres Training brauchen, weil ich erst mein herausstehendes Schulterblatt daran gewöhnen muss, und herausfinden muss, wie ich das überhaupt machen kann.
Es gibt Trainingseinheiten, da will ich nur so früh wie möglich raus, weil alles weh tut. Und gerade jetzt im Winter ist es oft nicht angenehm, weil meine Skoliose sehr kälteempfindlich ist.
Eine zeitlang war ich daher nicht sicher, ob ich weitermachen sollte. Ich hab aber schließlich beobachtet, dass diese Probleme (abgesehen von der Kälte) eigentlich Vorteile darstellen können:
(a) Vorteil für das Training: Wenn ich die Techniken richtig ( = effektiv) mache, habe ich keine Schmerzen. Daher weiß ich sofort, wenn ich sie falsch ausführe. Andere können das nicht. Mit der Zeit hab ich sogar gelernt, anhand der Art und Stelle der Schmerzen genau zu wissen, wo ich etwas falsch mache.
Manchmal glaube ich, ich wäre viel langsamer als alle anderen: dafür hole ich dann auf, wenn sie neue Techniken machen und diese nicht können, weil sie davor etwas falsch eingelernt haben. Mir kann das kaum passieren.
(b) Vorteil für die Skoliose: Ich lerne durch das Training, welche Haltung, welche Bewegung, und auf welche Art ich viel Kraft erzeugen kann, ohne dass ich dabei Schmerzen bekomme.
Noch ein Zusatz:
Schwierigkeiten hab ich auch damit, nur auf meinem linken Bein zu stehen (Kicks macht man ja auch später), wegen Spreiz- und Senkfuß. Aber in meinem Training haben wir damit so begonnen, dass wir die erste Form (Siu Lim Tao) abwechselnd auf einem Bein stehend durchführen müssen. Das war für mich zwar schwierig, aber ich glaube, dass sich der Spreiz- und Senkfuß dadurch auch verbessert, und es fällt mir immer leichter. Aber es gibt sehr viele Leute, die sich damit schwer tun, da muss man sich gar nicht schlecht fühlen
Alles in allem kann ich Kung Fu nur jedem empfehlen. Es macht viel Spaß, bringt mehr Kraft, Ausdauer und Konzentration, und da alles symmetrisch geübt wird, kann man seine Skoliose gleichzeitig noch mehr kennenlernen und dadurch den Alltag verbessern.
Ich hoffe ich konnte helfen
Liebe Grüße,
Veronika